IW-Geschäftsbericht 2021.2022
Die Corona-Krise und der Ukraine-Krieg haben neue Unsicherheiten am Standort Deutschland hervorgerufen und bestehende verstärkt. Wirtschaft und Gesellschaft verlangen nach Orientierung in der tiefgreifenden Transformation. Diese Orientierung geben das Institut der deutschen Wirtschaft und seine Tochterunternehmen. Wir sind Ihr Wegweiser in der neuen Unübersichtlichkeit.
IW-Direktor Michael Hüther
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Analysen mit Weitblick
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Informationsvermittlung interaktiv
Die interaktiven Grafiken und Karten des IW verbinden Wissen und Erleben.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Und ein bewegtes Bild sagt sogar noch mehr: Interaktive Grafiken laden Nutzer zum Mitmachen und Entdecken von Daten und Zusammenhängen ein und schaffen so größere Aha-Erlebnisse als es Texte oder statische Grafiken allein könnten. Sie vermitteln komplexe Inhalte nicht nur präzise und leicht verständlich, sondern machen die Nutzung zum Erlebnis. Wer mit interaktiven Grafiken eben interagiert, wer einschätzt, klickt, scrollt und Ergebnisse vergleicht, erschließt sich Informationen. Und behält sie lange im Gedächtnis.
Geld geht immer
Deshalb setzen die IW-Wissenschaftler schon seit Jahren auf interaktive Tools zur Informationsvermittlung. Wie vielseitig das gelingt, zeigen einige Projekte aus dem abgelaufenen Geschäftsjahr. Ein auch in der Öffentlichkeit stets beliebtes Thema war dabei: Geld. So entwickelten Judith Niehues, Leiterin der IW-Forschungsgruppe Mikrodaten und Methodenentwicklung, und IW-Verteilungsexperte Maximilian Stockhausen ein Tool, mit dem sich das Einkommen vergleichen lässt. Nutzer geben ihr Einkommen und einige weitere Parameter zu ihren Lebensverhältnissen an und können mit ein paar Klicks herausfinden, wie viel Prozent der deutschen Bevölkerung mit gleichen (oder interessehalber völlig gegensätzlichen) Voraussetzungen reicher oder ärmer sind.
Altersverteilung Steuern, Abgaben und staatliche Leistungen
Um Steuern und Abgaben einerseits sowie staatliche Leistungen andererseits geht es in einem interaktiven Tool von IW-Finanz- und Steuerexperte Martin Beznoska. Er hat berechnet, wem der Staat wie viel vom Einkommen nimmt und wieder zurückgibt. Herausgekommen ist eine Bilanz für alle Altersgruppen, Männer und Frauen, Einkommensstarke und -schwache. Die interaktive Grafik sowie die dazugehörige Studie stießen auch in den Medien auf großes Echo: Unter anderem berichteten Handelsblatt, Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt.
Altersverteilung Steuern, Abgaben und staatliche Leistungen
Regionale Vergleiche dank interaktiver Karten
Die IW-Forscher nutzen diese Interactives nicht nur, um Entwicklungen und Trends für verschiedene Bevölkerungsgruppen darzustellen, sondern auch zur Illustrierung regionaler Unterschiede. Die IW-Immobilienexperten Ralph Henger und Michael Voigtländer veranschaulichen in einer interaktiven Landkarte, wo der Wohnungsbedarf in Deutschland voraussichtlich bis 2025 gedeckt sein wird – und wo nicht. Nutzer können spielerisch herausfinden, wie es um die Bautätigkeit in ihrer Region steht und diese mit anderen Regionen vergleichen.
Zur Weihnachtszeit haben Henry Goecke und sein Big-Data-Team eine interaktive Karte gebaut, um potenziell lebensrettende Informationen zu veranschaulichen: Auf ihr erfahren Nutzer, in welchen Gemeinden die Feuerwehr wie schnell zur Stelle ist. Ein Klick auf die jeweilige Gemeinde zeigt die durchschnittliche Fahrzeit, in der 95 Prozent der Bevölkerung von der Feuerwehr erreicht werden. In den thüringischen Gemeinden Rattelsdorf und Seisla ist die Feuerwehr rein rechnerisch besonders schnell, mit nur 30 Sekunden Anfahrtszeit. Viele Regionen im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg hingegen schneiden schlecht ab. Das zeigt: In interaktiven Tools können nicht nur für die Bürger interessante, sondern auch für die Politik brisante Daten stecken. Zum Beispiel mit Blick auf Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge.
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Woher kommt das Misstrauen ins "System"?
Das IW analysiert, wie (selektive) Wahrnehmungen Politik prägen – und will zum kritischen Hinterfragen anregen.
Mehr Ursachenforschung: So lässt sich das gemeinsame Interesse von Judith Niehues und Matthias Diermeier auf den Punkt bringen. Die Verteilungsexpertin und Leiterin der Forschungsgruppe Mikrodaten und der damalige Persönliche Referent von IW-Direktor Michael Hüther haben in den vergangenen Monaten den wissenschaftlichen Blick geweitet und gehen vielen grundlegenden Fragen für den Standort und die Demokratie in Deutschland nach: Wie entstehen Wahrnehmungen der wirtschaftlichen Umwelt? Wie entstehen daraus Politikpräferenzen? Und wie lassen sich gerade selektive oder verzerrte Wahrnehmungen der Bürger womöglich öffnen und kritisch hinterfragen?
Tiefer in gesellschaftliche Strukturen blicken
"Judith und ich haben uns dafür eingesetzt, tiefer in die gesellschaftlichen Strukturen reinzuschauen. Nicht primär am Ende eine Politik zu bewerten, sondern schon am Anfang zu gucken, warum es für welche Politiken überhaupt eine Mehrheit gibt", sagt Diermeier. Niehues ergänzt: "Häufig spielt für politische Präferenzen eher die Wahrnehmung eine Rolle, als es die tatsächlichen Kennzahlen tun. Gerade in meinem Thema 'Verteilung' ist der Blick auf viele Bereiche deutlich pessimistischer, als es die statistischen Kennzahlen nahelegen, zum Beispiel was die Armutsgefährdung angeht."
Auslöser für das Forschungsinteresse sei vor allem das Erstarken des Rechtspopulismus gewesen, erzählen beide. Anfangs seien die Erfolge der AfD mit sozialen Gerechtigkeitsdefiziten und Verteilungsfragen erklärt worden. Wissenschaftlich erhärten ließ sich das nicht. "Also haben wir mit sozialwissenschaftlichen Mitteln umfragebasiert sowie in kleinräumigen Analysen andere Erklärungen – wie eben Einstellungen und Wahrnehmungen – ergründet", sagt Niehues. "Für das IW als Fürsprecher der Sozialen Marktwirtschaft ist es ja zentral, dass es ein Vertrauen ins System gibt. Herauszufinden, woher die Systemkritik vonseiten der Rechtspopulisten kommt, und aufzuklären ist insofern ein naheliegendes Forschungsziel. Die Aufklärung über wirtschaftliche Kennzahlen ist ja sogar eine Klammer der gesamten Verbundarbeit, angefangen bei der IW JUNIOR in den Schulen über die IW Medien und die IW Consult bis zur Wissenschaft."
Diermeier macht es konkret: "Zu sagen 'Aufgeklärte Menschen wählen keine AfD' wäre sicher zugespitzt. Aber ein Beispiel: AfD-Anhänger denken, dass die Arbeitslosenquote unter Bürgern mit ausländischer Staatsangehörigkeit bei 42 Prozent liegt. Tatsächlich beträgt sie 12 bis 15 Prozent. Zwar unterschätzen die Anhänger aller Parteien den wirtschaftlichen Erfolg von Migranten. Grundsätzlich sind Menschen, die die Realität negativer wahrnehmen als sie ist, jedoch schneller dabei zu sagen, meine Meinung ist die richtige. Sie stellen den Prozess der demokratischen Meinungs- und Mehrheitsbildung infrage und fordern ein Durchregieren. Sie hängen eher einem Verschwörungsglauben an. Sie suchen sich Informationsquellen, die zu dem passen, was sie ohnehin denken."
Der Einfluss der Bild-Zeitung
Ein Analysestrang im vergangenen Jahr war die Frage, ob und wie Medien grundlegende Fehlwahrnehmungen verursachen oder verstärken. Diermeier und Niehues haben dabei mit der Methode der Textanalyse die Ungleichheits-Berichterstattung auf bild.de untersucht. Ausgangspunkt war die Selbstdarstellung der Bild-Zeitung als Seismograf deutscher Befindlichkeiten. Das Ergebnis: Die Bild-Zeitung festigt mit Blick auf Ungleichheit tatsächlich selektive Wahrnehmungen, die in der Gesellschaft ohnehin bestehen. Geht es darum, wer sozialstaatliche Leistungen am ehesten "verdient" hat, stehen in der Bild sowie in der allgemeinen Wahrnehmung Rentner ganz oben, Arbeitslose ganz unten. Den einen schulde man eine "Leistungsgerechtigkeitsdividende", erklärt Diermeier, die anderen gälten als Leistungsverweigerer und hätten entsprechend weniger verdient. Gleichzeitig besteht in der Bevölkerung der Wille, Armut und soziale Ungleichheit zu reduzieren.
Die beschriebene Präferenzordnung kann jedoch eine gezielte Armuts- und Ungleichheitsreduktion erschweren, sagt Niehues. Schließlich sei die Armutsgefährdung Arbeitsloser deutlich höher als jene von Rentnern. "Viele Menschen sind aber nicht bereit, ihr Bild kritisch zu hinterfragen", sagt die Forscherin. "Das treibt uns an: Wege zu finden, das doch zu erreichen." Denn aus solchen medial verstärkten Fehlwahrnehmungen können auch fragwürdige Politikentscheidungen entstehen. Diermeier schildert ein politisches Dilemma: Auf Basis der "öffentlichen Meinung" werden immer wieder neue Rentenpakete auf den Weg gebracht, um die vermeintlich sehr große Gruppe armutsgefährdeter Rentner zu unterstützen. Die Armutsstatistiken verbessern sich dadurch aber nicht wesentlich, weil eigentlich Arbeitslose und Migranten stärker armutsgefährdet sind. Wähler könnten sich dann von Regierungsparteien abwenden, weil "die da oben" es nicht hinkriegen und suchen womöglich Anschluss bei Populisten, die "Volkes Wille" angeblich besser kennen und bedienen.
Faktencheck über und für das Ruhrgebiet
In einem zweiten Projekt haben Niehues und Diermeier gemeinsam mit ihren IW-Kollegen Ruth Schüler und Armin Mertens nach konkreten Wegen gesucht, den selektiven Wahrnehmungen die tatsächliche Empirie gegenüberzustellen. Gefördert von der Essener Brost-Stiftung, haben das IW und die Ruhr-Universität Bochum (RUB) durch repräsentative Befragungen Einstellungen, Informationsverhalten und Politikpräferenzen der Menschen im Ruhrgebiet analysiert.
Neben verschiedenen wissenschaftlichen Publikationen entstand daraus eine Plattform zur Ansprache der Öffentlichkeit: Auf www.checkpott.ruhr erkunden User die wichtigsten Ergebnisse des Forschungsprojekts. Die IW Medien hat dazu gemeinsam mit dem IW erzählerische Fäden erarbeitet, die Webseite und deren interaktive Tools programmiert. Alle Tools folgen einem verbindenden Schema: Nutzer geben zuerst Auskunft über ihre eigene Mediennutzung, treffen Einschätzungen etwa zur Arbeitslosenquote oder benennen ihre Präferenzen in der Corona-Politik. Im zweiten Schritt können sie ihre Angaben dann mit der statistischen Realität sowie den Umfrageergebnissen vergleichen.
CHECKPOTT: Darum sorgt sich das Ruhrgebiet
Der Mehrwert: User sind nicht passiv konfrontiert mit Ergebnissen und Tatsachen, sondern können ihr Wissen und ihre Wahrnehmungen aktiv gegenchecken – und im Anschluss möglichst hinterfragen. Rund 45.000 Menschen hatten das bis zum Frühjahr 2022 bereits getan. Weil die Nutzereingaben getrackt werden, konnten die Wissenschaftler Vergleiche ziehen zu den Ergebnissen ihrer Umfrage. Und sind zumindest in einem Punkt ernüchtert: "Das Projekt hat unseren Anspruch, Menschen zu informierteren Entscheidungen zu verhelfen, noch nicht erfüllt – denn die User der Webseite waren bereits zu gut informiert", sagt Diermeier. "Die schlechter Informierten mit ihren viel zu pessimistischen Einschätzungen haben wir noch nicht erreicht."
Methodenkompetenz erweitert, außerhalb der VWL vernetzt
Die zielgruppengerechte Kommunikation ökonomischer Bildung bleibt eine große Herausforderung. Gelungen ist dem IW hingegen die Erweiterung der Methodenkompetenz: "Im Brost-Projekt haben wir eigene Empirie in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage erhoben", sagt Niehues. "Bislang haben wir meist bestehende Datensätze wie das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ausgewertet. Es beschränkt aber natürlich unsere Erkenntnismöglichkeiten, wenn wir auf inhaltliche Schwerpunkte bestehender Daten angewiesen sind. Bei unserer Ruhrgebietsbefragung haben wir gesehen, welches Potenzial originäre Daten für uns haben und prüfen derzeit, wie wir uns da weiterentwickeln können."
Auch strukturell stehen Änderungen bevor, die das verstärkte sozialwissenschaftliche Engagement des IW unterstreichen: Diermeier wird zum 1. Juli 2022 Leiter der Forschungsgruppe "Gesellschaft, Demokratie, Marktwirtschaft" werden. Sie soll über alle Themenfelder der IW-Wissenschaft hinweg aktiv sein und Forschungsimpulse geben. Diermeier will zudem die Vernetzung außerhalb der Volkswirtschaften ausbauen, etwa zu Politologen und Soziologen, deren Forschungsfokus weniger auf den Vorzügen einer marktliberalen Wirtschaft liegt: "Wenn wir nach Antworten auf solche fundamentalen Fragen für Gesellschaft und Wirtschaft suchen, brauchen wir den Blick über den Tellerrand unserer Peer-Group."
Standort
Das Hier und Jetzt verstehen
Standort 1/8
"Trotz vieler Unsicherheiten bin ich vorsichtig optimistisch"
Wie der Angriffskrieg in der Ukraine sich auf die deutsche Wirtschaft auswirkt.
Kaum ein Thema beschäftigt uns derzeit so sehr wie der Krieg in der Ukraine. Welche konkreten Folgen hat er für die deutsche Wirtschaft?
Michael Hüther: Anfang des Jahres bestand die Hoffnung, dass die Corona-Lücke endlich geschlossen werden kann – doch die Probleme aus der Pandemie wirken immer noch nach. Der russische Krieg gegen die Ukraine bedeutet jetzt aber nochmal eine ganz andere Dimension: Hohe Energiepreise, eingeschränkt verfügbare Rohstoffe und gestörte Lieferketten sorgen für große Verunsicherung. Vor allem der Industrie macht das zu schaffen, sie befindet sich nahe an der Rezession. Unsere Konjunkturumfrage zeigt, dass 28 Prozent der Industrieunternehmen pessimistisch in die Zukunft schauen. Von der unvorstellbar schrecklichen humanitären Dimension will ich gar nicht reden.
Michael Hüther im Handelsblatt-Podcast:
Große Sorgen bereitet die Abhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung. Kann Deutschland auf russisches Gas und Öl verzichten?
Michael Hüther: Beim Öl können wir uns in überschaubarer Zeit von Russland unabhängig machen. Nachdem die EU ein Einfuhrverbot für russisches Öl auf dem Seeweg beschlossen hat, will Deutschland auch bis Ende des Jahres auf Öl aus der Druschba-Pipeline verzichten.
Das Gas ist aber wichtiger, oder?
Michael Hüther: In der Tat. Bei Gas sieht die Lage anders aus. Gerade die Industrie ist stark abhängig von Gas – nicht nur als Stromlieferant, sondern vor allem für die Prozesswärme und die stoffliche Nutzung in der Grundstoffchemie. Zwar konnten wir den Anteil an russischen Erdgasimporten seit Kriegsbeginn deutlich reduzieren, im Mai lag er aber immer noch bei 35 Prozent. Das führt dazu, dass die so wichtige Grundstoffproduktion – Chemie, Stahl, Glas, Ernährung – und in der Folge auch andere Branchen wie die Automobilindustrie bei einem Gas-Stopp aus Russland stark gefährdet sind. Die wirtschaftlichen Verflechtungen sind so komplex, dass niemand seriös Embargo-Folgen beziffern kann. Eins gilt aber gewiss, da teile ich das Argument von Bundeskanzler Scholz: Es ist nichts gewonnen, wenn die Auswirkungen eines Embargos bei uns größere Folgen haben als in Russland. Das hilft niemandem.
Dabei wird die Diskussion dazu unter Ökonomen sehr kontrovers geführt: Manche verweisen auf Modelle, die verkraftbare Folgen simulieren.
Michael Hüther: Diese Modelle sind mit Vorsicht zu betrachten. Sie argumentieren mit Preisveränderungen, wo es hier doch um einen totalen Mengenausfall für ganze Produktionszweige geht, und sie unterstellen beispielsweise, dass die Wirtschaft auf andere Rohstoffe ausweichen kann. Kurzfristig ist das aber in den meisten Industrieunternehmen nicht möglich. Im Durchschnitt könnte die deutsche Industrie bis Ende 2022 nur rund acht Prozent ihres Erdgasverbrauchs ersetzen. Außerdem werden in den Berechnungen Folgeeffekte auf Beschäftigung und Konjunktur vernachlässigt.
Die teilweise sehr schwerwiegend sein können.
Michael Hüther: Genau. Wenn Teile der Industrie über einen längeren Zeitraum die Produktion stilllegen müssen, hat das zwangsläufig einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosenzahl zur Folge – mit entsprechend gravierenden Auswirkungen auf Kaufkraft und Konsum.
Die Politik beschäftigt sich mit diesen Problemen seit Monaten – auch Sie waren als Experte geladen, zur Kabinettsklausur der Bundesregierung in Meseberg, gemeinsam mit Sebastian Dullien, dem wissenschaftlichen Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Worum ging es da?
Michael Hüther: In erster Linie ging es darum, über diese wirtschaftspolitische Zeitenwende und die Auswirkungen auf das deutsche Geschäftsmodell zu sprechen. Wie setzen wir dringend nötige Transformationen unter den neuen Rahmenbedingungen um? Die Herausforderungen, vor denen Deutschland ökonomisch steht, sind – auch abgesehen vom Krieg – sehr vielfältig: Dekarbonisierung, Deglobalisierung, Digitalisierung und Demografie. Durch die aktuelle Situation werden sie nochmals verschärft. Die Politik darf diese Aspekte nicht aus den Augen verlieren, wenn der Wirtschaftsstandort Deutschland auch langfristige Zukunft haben soll.
Welche wirtschaftlichen Auswirkungen spüren Menschen in Deutschland konkret?
Michael Hüther: Die höheren Preise für Lebensmittel und Energie treffen vor allem ärmere Haushalte. Unsere Berechnungen zeigen, dass Familien mit einem monatlichen Einkommen zwischen 3.000 und 3.500 Euro durchschnittlich 131 Euro mehr für Energie und Kraftstoffe zahlen müssen als noch zu Jahresbeginn, also rund vier Prozent mehr. Mit der Energiepauschale und dem Kinderbonus hat die Politik hier aber bereits wichtige und richtige Schritte unternommen, um stark belastete Haushalte zu unterstützen – ob das reicht, wird sich zeigen.
Wie schauen Sie in die Zukunft?
Michael Hüther: Mittelfristig vorsichtig optimistisch, auch wenn wir derzeit sehr viele Unsicherheiten aushalten müssen. Ich gehe davon aus, dass wir zumindest gegen Ende des Jahres und spätestens 2023 eine Normalisierung erleben werden.
Standort 2/8
Wie 4 Ds die Wirtschaft verändern
Die jüngste IW-Studie analysiert ein Jahrzehnt der Disruption und Transformation.
IW-Studien sind Solitäre. Auch wenn die Webseite des Instituts inzwischen alle wissenschaftlichen Publikationen unter "Studien" listet – DIE Studie ist im internen Sprachgebrauch noch immer eindeutig. Umfangreich, grundlegend, eine wissenschaftliche Standortbestimmung mit hohem Anspruch und hoher Halbwertszeit. So wie DIE Studie des Jahres 2021: "Gleichzeitig: Wie vier Disruptionen die deutsche Wirtschaft verändern".
Vier Begriffe, die strukturelle Herausforderungen beschreiben
Axel Plünnecke, Kompetenzfeldleiter Bildung, Zuwanderung und Innovation, hat die kurz "4 D" genannte Publikation koordiniert und gemeinsam mit Vera Demary, Jürgen Matthes und Thilo Schaefer verfasst, seinen Pendants aus den Kompetenzfeldern Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb, Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur respektive Umwelt, Energie, Infrastruktur. Plünnecke spricht von den 212 Seiten einfach als "dem Buch". Das Buch beschreibt vier Disruptionen, die die deutsche Wirtschaft ins Umdenken und Umbauen bringen. Der Eingängigkeit war zuträglich, dass alle beschriebenen Disruptionen it einem D beginnen: Digitalisierung, Dekarbonisierung und Demografie sowie De-Globalisierung. Dieser Titel hat Kreise gezogen; Plünnecke berichtet jedenfalls erfreut davon, dass ein Staatssekretär der neuen Bundesregierung die Diktion von den "4 Ds" in einem Vortrag verwendet habe.
"Die Begriffe sind einerseits plakativ, andererseits beschreiben sie die strukturellen Herausforderungen für die Industrie", sagt Plünnecke. "Wir haben eine sehr hohe Exportorientierung, die von der De-Globalisierung betroffen ist. Eine sehr starke industrielle Basis, auf die Dekarbonisierung und Digitalisierung wirken. Und eine Altersstruktur, die Demografie zu einem übergeordneten Problem macht. Es sind also die 4 Ds, die das Geschäftsmodell Deutschland herausfordern." Waren frühere IW-Studien oft gut komponierte Aufsatzsammlungen, sei die jüngste Ausgabe "von einem Autorenteam durcherzählt". Das Narrativ: Wie kann der Standort Deutschland solche Transformationen bewältigen – und zwar gleichzeitig? "Das Besondere sind die wechselseitigen und gleichzeitigen Wirkungen verschiedener Transformationen", erklärt Plünnecke. "Diese Gleichzeitigkeit war auch dem Direktor besonders wichtig, als der Anstoß zur Studie kam. Früher gab es ebenfalls Megatrends. Aber man konnte sagen, dass pro Jahrzehnt nur eine Sache passierte. Jetzt passieren in einem Jahrzehnt vier Dinge gleichzeitig. In der Autoindustrie etwa: Dekarbonisierung durch Elektrifizierung, die Digitalisierung sowie die Demografie als Herausforderung im Sinne von Fachkräftesicherung. Und die De-Globalisierung durch die Neuaufstellung von Wertschöpfungsketten."
Entstanden ist "das Buch" als echtes Verbundprojekt. Sein Kern war eine Unternehmensbefragung mit dem Zukunftspanel der IW Consult. Neben den vier Lead-Autoren lieferten weitere Kolleginnen und Kollegen aus dem Wissenschaftsbereich zu, auch Erkenntnisse aus Projekten wie "Digitalisierung in Zahlen", SCI4climate.NRW und der Patentdatenbank flossen ein. Besonders betont Plünnecke die "sehr schöne Gestaltung und Haptik", für die die IW Medien verantwortlich ist. Die Studie ist als erste wissenschaftliche Publikation des IW in einem neuen Design erschienen, auch die Aufbereitung auf der IW-Webseite hebt sie von anderen Formaten ab. "Ich liebe Verbundprojekte", sagt Plünnecke. "Mir macht es Spaß, mit Kollegen der IW Medien zusammenzukommen, Ideen zu Farben, Formen, Haptik und Visualisierungen zu entwickeln. Jeder Entwurf, jede Druckfahne hat uns einen Motivationsschub gegeben."
Ausgangspunkt für weitere Analysen
Für die Funktion und Wirkung der Studie sind indes vor allem die Inhalte wichtig. Plünnecke beschreibt den strategischen Ansatz: "Mit der Studie haben wir sozusagen ein Mutterschiff gebaut, von dem wir künftig thematische Schnellboote ablassen können. Sie dient als Quelle, auf die wir in kürzeren Publikationen wie unseren IW-Kurzberichten rekurrieren werden." Allein die Hauptautoren hätten viele Anschlussfragen: "Wir vier wollen unsere Themenfelder auch künftig stärker gemeinsam bestellen. Die Arbeit an der Studie war ein starkes Teambuilding und hat uns viele Impulse gegeben."
Zum Jahresende 2022 etwa ist ein IW-Trends-Aufsatz geplant, der die Veränderungen der 4 Ds im Jahresverlauf analysiert. "Schließlich können wir selbst Epochenereignisse wie den Ukraine-Krieg durch dieses Prisma betrachten", sagt Jürgen Matthes. In den Kriegsfolgen kommen Dekarbonisierung und De-Globalisierung zusammen: "Der Druck zur Abkehr von fossilen Brennstoffen hat deutlich zugenommen, mit Blick auf die Lieferketten stellt sich die Frage, ob und wie eine Weltwirtschaft ohne Russland funktionieren kann", ergänzt Thilo Schaefer. Je nach Verlauf könnten sich zudem Effekte für die Demografie ergeben, auch wenn Plünnecke eine Debatte über ukrainische Fachkräfteeinwanderung für unpassend hält.
Orientierung für Stakeholder, Visitenkarte im Projektgeschäft
Gegenüber den IW-Stakeholdern erfüllen die 4 Ds einen doppelten Zweck: "Unseren Mitgliedern dienen sie als Orientierung in der Transformation", sagt Plünnecke. "Somit erfüllen wir unseren Grundauftrag. Zugleich aber ist das Buch eine Visitenkarte für kommende Projekte. In denen verknüpfen wir Wissen und Erfahrungen und belegen gegenüber potenziellen Kunden, wie lange und gut wir uns womit bereits auskennen." Von jedem Projekt zu den 4 Ds wiederum profitierten auch Verbände und Unternehmen: "Dadurch sind wir breiter aufgestellt", betont Plünnecke. "Bei Demografie und Fachkräftesicherung etwa: Projekte wie Make it in Germany, KOFA oder das BQ-Portal dienen auch dazu, dass wir unsere Mitglieder gut begleiten und sie dabei unterstützen, die demografische Transformation zu bewältigen."
Das Kernergebnis "des Buchs" ist aber auch, dass Unternehmen die Transformation nicht allein bewältigen können. Die Handlungsempfehlungen richten sich an die Politik, die den Rahmen setzen muss: "Wir brauchen eine Zukunftspolitik. Von der Infrastruktur für Digitalisierung und Dekarbonisierung bis zu Qualifizierung und Einwanderung, um die Demografie zu steuern", betont Vera Demary. "Eine Agenda für die kommenden zehn Jahre, weil in den vergangenen zehn Jahren zu wenig passiert ist."
Standort 3/8
Was bedeutet das Verbrenner-Aus für die Autoindustrie?
Die IW Consult analysiert die Bedeutung regionaler Automobilnetzwerke.
"Ein unfassbarer Aufwand" sei sie gewesen. "Aber die Studie hat viel Aufmerksamkeit erregt", sagt Hanno Kempermann. Der neue Geschäftsführer der IW Consult spricht über die Publikation "Wirtschaftliche Bedeutung regionaler Automobilnetzwerke", die die IW-Beratungstochter 2021 für das Bundeswirtschaftsministerium verfasst hat. "Wir durften die Ergebnisse in die Spitzengespräche der Konzertierten Aktion Mobilität einspeisen, wir haben uns sehr über Folgeaufträge aus den Regionen gefreut und es gab ein großes Interesse regionaler Akteure und von Journalisten an der Diskussion der Ergebnisse." Das Thema der Studie: Wie steht die deutsche Automobilindustrie – und wie stehen vor allem deren Beschäftigte – angesichts der Dekarbonisierung da? Welche Regionen sind besonders abhängig vom Verbrennungsmotor und potenziell betroffen von seinem Aus? Und wo sind Unternehmen bereits auf den automobilen Zukunftsfeldern Elektrifizierung, Digitalisierung und Vernetzung unterwegs?
Gute Chancen, dass die Transformation gelingt
Kempermann beruhigt zunächst: "Von den 3,3 Millionen Beschäftigten, die wir den Autobauern und Zulieferern zurechnen, sind 260.000 sozusagen abhängig vom Verbrenner. Für eine Mehrheit sehen wir aber gute Chancen, dass die Transformation gelingt. Weitere 125.000 arbeiten bereits in den Chancenfeldern Elektrifizierung, Digitalisierung und Vernetzung. Und die Unternehmen registrieren schon heute, dass es enorme Fachkräfteengpässe gibt. Dass jeder, den man auf dem Weg in die Transformation nicht mitnimmt, einer zu wenig ist." Autobauer investierten in Qualifizierungen, Zulieferer erweiterten ihr Angebot oder suchten sich neue Märkte abseits des Verbrenners. "Viele Zulieferer nutzen ihre Kompetenzen etwa in der Medizintechnik oder im Leichtbau. Dort können sie das Engineering-Know-how von Beschäftigten nutzen, die bislang etwa Zylinderköpfe gefertigt haben. Gießereien überlegen, was sie statt Motorblöcken denn künftig gießen könnten. Wer an Heizungen oder Kühlungen gearbeitet hat, erschließt das Thema Thermomanagement in E-Autos."
Dass die Consult mit ihrer Studie so breite Resonanz erzeugt hat, liegt vor allem an der analytischen Tiefe. Die Forscher haben eine neue Methode der Mikrodatenanalyse angewandt, um möglichst Aussagen für alle 401 Kreise und kreisfreien Städte zu treffen. Darin steckt der von Kempermann benannte "unfassbare Aufwand" - mehrere Tausend Arbeitsstunden Recherche, um die 118 Kreise und Städte zu identifizieren, die besonders durch die Automobilindustrie geprägt sind sowie jene 40, die der Verbrenner besonders prägt. "Diese Idee hat auch das Bundeswirtschaftsministerium überzeugt", betont Kempermann. "Wir haben keine vorhandenen Daten aggregiert und sie durch Expertenbefragungen abgesichert. Wir sind vollkommen neu an die Aufgabe herangegangen. Dabei haben wir auch veranschaulicht, welche Tücken die amtliche Statistik auf regionaler Ebene hat."
Zwei Beispiele:
- Zulieferer wie KIRCHHOFF Automotive sind offiziell unter Metallerzeugung und -bearbeitung klassifiziert, nur ein Bruchteil ihres Umsatzes wird deshalb bei einer konventionellen Berechnung über Input-Output-Analysen dem Bereich Automotive zugeschlagen. "Dabei steckt doch schon 'Automotive' im Namen", wundert sich der Consult-Geschäftsführer. Das Projektteam um Kempermann hat solche und ähnliche Fälle neu klassifiziert. "Auf regionaler Ebene wie bei KIRCHHOFF im Kreis Olpe macht so etwas mehrere Prozentpunkte Unterschied für Umsatz- und Mitarbeiteranteile von Automotive aus – und damit für die Abhängigkeit einer Region von der Branche."
- Die Consult hat mehr als 700 Werke von Autobauern und den Top-100-Zulieferern einzeln betrachtet: "Wir haben jedem Unternehmen und jedem Werk ein Produktportfolio zugeordnet. In Werk X eines Autobauers arbeiten 100 Prozent der Beschäftigten am Verbrenner, weil sie Motoren produzieren. Im Werk Y desselben Unternehmens aber sind es nach unserer Einstufung 0 Prozent, weil die Beschäftigten Endmontage machen und der Fahrzeugantrieb für sie egal ist. Ein ähnlicher Fall ist der Zulieferer, der amtlich unter 'Getriebe' fällt, aber unter anderem auch ein Werk für Airbags hat." Erst diese Aufschlüsselung erlaubt also valide Aussagen darüber, welche Werke und Mitarbeiter vom Verbrenner-Aus tatsächlich betroffen wären.
Automobilnetzwerke und Beschäftigte
"Wir haben jetzt eine sehr gute Nullmessung zum Start der automobilen Transformation", sagt Kempermann. "In drei Jahren könnten wir also betrachten, was sich wo verändert hat. Wo wachsen welche Regionen auf, wo gelingt Transformation nicht so gut und wo müsste man unterstützen?" Anschlussprojekte drängen sich also geradezu auf. Mit verschiedenen Konsortien ist die Consult bereits in Gesprächen für eine Unterstützung bei der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Initiative zu "Transformationsstrategien für Regionen der Fahrzeug- und Zulieferindustrie".
Ein Kern solcher Strategien laut Kempermann: Regionale Akteure müssen sich vernetzen. "Am schwersten werden es in der automobilen Transformation kleine Unternehmen im ländlichen Raum haben, die vom Verbrenner abhängig sind. Sie haben den größten Handlungsbedarf, aber gleichzeitig fehlen ihnen häufig Ressourcen und Möglichkeiten, sich in Netzwerken zu engagieren", erklärt Kempermann. "Dabei könnten KMU gemeinsam lernen, produzieren und wachsen. Dazu brauchen sie aber auch Unterstützung von IHKs, Wirtschaftsförderern und Wissenstransfermanagern an Hochschulen."
In zehn Jahren werde die deutsche Automotive-Landkarte voraussichtlich noch immer die aktuellen "Inseln der Exzellenz" zeigen, sagt Kempermann, etwa den Raum Wolfsburg oder den Raum Stuttgart. "Aber es werden neue Regionen hinzukommen – vor allem in Ostdeutschland, weil es dort Flächen und Förderung gibt, um Großprojekte auf die grüne Wiese zu setzen." Bang ist ihm deshalb nicht um die Zukunft von Deutschlands Schlüsselbranche. "Unsere Studie hat gezeigt, dass die Unternehmen auf einem guten Weg sind. Wir sehen Unternehmen, die sich selbst ermutigend durch hohe Investitionen weiterentwickeln. Dennoch ist es essenziell, dass sie die internationale Konkurrenz aus den USA und China sehr ernst nehmen. Deshalb müssen die Rahmenbedingungen in Deutschland weiter gestärkt werden – die Forschungs- und Bildungsinfrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur und die digitale Transformation sind entscheidende Elemente dafür, dass die Branche auch in Zukunft einen so hohen Stellenwert in Deutschland einnehmen kann."
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Wie der Vater, so der Sohn?
Ein IW-Ökonom erforscht, ob das Aufstiegsversprechen in Deutschland noch gültig ist.
Es gibt Themen, die in jeder möglichen Konstellation die Gemüter bewegen, sei es am Gartenzaun, mit der erweiterten Familie beim Weihnachtsfrühstück oder beim Stammtisch. Dazu zählen neben Corona-Regeln auch immer wieder Themen rund ums Geld: Wer ist reich, wer arm? Wird das Leben immer teurer, war früher alles besser? IW-Ökonom Maximilian Stockhausen kennt die gängigen Meinungen und Mythen zur Genüge. Seit seinem Studium beschäftigt er sich aus wissenschaftlicher Sicht mit Armut, Reichtum und der immerwährenden Frage, wo die Grenzen zwischen beidem verlaufen. "Viele Leute klagen über die Verteuerung des Lebens, vergessen aber, dass sie sich deutlich mehr leisten können als noch vor einigen Jahren", sagt Stockhausen. "Die Gehälter steigen seit Jahren ebenfalls stark an, das wird aber kaum wahrgenommen."
Söhnen geht es meist besser
Der Ökonom hat sich auf Verteilungsthemen spezialisiert. Dazu gehört auch eine Forschungsnische: Stockhausen interessiert sich besonders für die Einkommensmobilität zwischen den Generationen. Also: Wird das Aufstiegsversprechen erfüllt? Geht es der nächsten Generation materiell besser als der vorherigen? Wissenschaftlich lässt sich das genau untersuchen. Dabei liegt Stockhausens Fokus vor allem auf Vätern und ihren Söhnen, da Mütter und Töchter unstetere Erwerbsbiografien haben, die eine verknüpfende Analyse deutlich erschweren. Noch immer sind Frauen öfter und länger als Männer in Eltern- oder Teilzeit, ein Blick auf beide Geschlechter würde deshalb das Ergebnis verzerren.
Aufstieg gelingt in Deutschland besser als in den USA
Verteilungsforscher Stockhausen arbeitet größtenteils mit Daten aus der Langzeithaushaltsbefragung SOEP (Sozio-oekonomisches Panel), für die 20.000 Haushalte seit inzwischen 30 Jahren befragt werden. Mit diesen Daten untersucht der Wissenschaftler die jeweiligen Arbeitseinkommen in vergleichbaren Lebensphasen, also ausschließlich das, was Menschen durch ihre Arbeitsleistung verdienen, und bereinigt die Daten dann um die Inflation. "Der nächsten Generation geht es tatsächlich deutlich besser, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA", sagt der Wissenschaftler. In Deutschland konnten sich in der jüngsten Generation der zwischen 1971 und 1975 Geborenen rund 66 Prozent der Söhne im Vergleich zu ihren Vätern verbessern, in den USA waren es immerhin 50 Prozent. Seine Ergebnisse veröffentlichte Stockhausen 2021 im renommierten Journal of Economic Inequality.
Die öffentliche Resonanz ließ nicht lange auf sich warten: Die FAZ fragte einen Gastbeitrag an, es meldeten sich eine Ökonomin aus Kalifornien und bei Reddit diskutierten Tausende Nutzerinnen und Nutzer, ob der amerikanische Traum inzwischen verblasst sei. Ein großer Erfolg für den Forscher, der selbst Bildungsaufsteiger ist: "Unsere Forschung liefert einen kleinen, aber substanziellen Beitrag zu den üblichen Diskussionen und räumt hoffentlich einige Mythen aus", sagt Stockhausen. "Damit lohnt sich die Arbeit schon."
Standort 5/8
Wie Daten Fragen beantworten
Die IW-Forschungsgruppe Big Data Analytics sucht nach Gold im Datenstrom.
Allein im Jahr 2018 ist weltweit eine Datenmenge von 33 Zettabyte (ZB) angefallen – also 33 Trilliarden Bytes, eine Zahl mit 21 Nullen. 2025 könnten es schon 175 ZB sein.
Die IW-Forschungsgruppe Big Data Analytics will solche großen Datenmengen für die Wirtschaftsforschung nutzbar machen: "Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, Fragen so beantworten zu können, wie es bisher nicht möglich war", sagt Henry Goecke, Leiter des Big-Data-Teams. Ähnlich wie Goldsucher früher Flussbetten durchsiebt haben, nutzen die IW-Forscher Verfahren wie das sogenannte Web Scraping, um relevante Inhalte aus dem Datenstrom zu extrahieren. Mithilfe von Algorithmen oder spezieller Software werden hierbei Webseiten gezielt durchsucht und die gewünschten Informationen gespeichert. "Wir generieren Daten aus allem, was das Netz hergibt", sagt Goecke. Ziel ist es, Datensätze aufzubauen, mit denen sich Forschungsfragen anders angehen – und Forschungslücken schließen lassen.
Mit Big Data regionale Preise und Erreichbarkeiten ermitteln
So erheben die Big-Data-Experten gemeinsam mit ihrem Kollegen Christoph Schröder und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung beispielsweise regionale Preisindizes für einen typischen Konsumenten-Warenkorb, der Hunderte Produkte und Dienstleistungen des täglichen Lebens enthält. Um die Kosten von Lebensmitteln zu beziffern, werten die IW-Forscher Preise des Lebensmittelhändlers Rewe aus. Über eine Schnittstelle ziehen sie die entsprechenden Daten von dessen Webseite und sortieren sie nach Region. Die Detailtiefe dieser Empirie werde in der Wissenschaftscommunity häufig vermisst, sagt Goecke.
Eher etwas spielerisch haben der Big-Data-Experte Jan Wendt und IW-Ökonom Christoph Schröder zu Weihnachten 2021 auf Grundlage dieser Daten einen Kartoffelsalat-Index errechnet. Er zeigt, wo die Deutschen wie viel für die Zutaten des Weihnachtsklassikers ausgeben müssen. Um den komplexen Datensatz verständlich zu machen, hat das IW ihn in einer interaktiven Karte aller Landkreise und kreisfreien Städte aufbereitet. Die Auswertung zeigt: Die Kosten für einen Kartoffelsalat unterscheiden sich lokal um bis zu 25 Prozent, bei gleichen Zutaten und Mengen. “Zu verstehen ist das als eine jahrzeitlich passende Rechnung, die zeigt, welche Datenmengen wir mit kleinem Aufwand auswerten können”, sagt Wendt zu dem “Index”. “Immerhin fanden es die BILD-Zeitung und Spiegel online interessant”, fügt er leicht ironisch hinzu.
Kartoffelsalat-Index
Mit Geoinformationen lassen sich ebenfalls spannende Fragen beantworten. So konnten die IW-Forscher zum Beispiel ausrechnen, wie gut die Deutschen Kitas erreichen können oder wie lange sie auf die Feuerwehr warten müssen. "Hierfür kombinieren wir die Geokoordinaten der entsprechenden Orte mit der Einwohnerverteilung und der verfügbaren Straßeninfrastruktur", erklärt Goecke.
Wo die Feuerwehr schnell zur Stelle ist
Antworten in großen Datenbergen finden
Big Data kann aber noch viel mehr: Neben Geokoordinaten und Preisangaben werten Goecke und sein Team große Mengen Text aus. So können sie etwa den Arbeitsmarkt und die Qualifizierung von Fachkräften genauer unter die Lupe nehmen. Die Big-Data-Experten liefern zusammen mit den IW-Fachleuten für berufliche Qualifikation und Fachkräfte dabei unter anderem Antworten auf die Frage, welche Fähigkeiten in welchen Berufsgruppen besonders wichtig sind – und wie diese sich verändern. Mittels Machine Learning durchsuchen sie dazu automatisiert Millionen Stellenanzeigen und kategorisieren die verwendeten Begriffe.
Big-Data-Methoden kommen bei unzähligen ökonomischen Fragestellungen zum Einsatz: "Wir unterstützen unsere Kolleginnen und Kollegen, die inhaltlich auf dem jeweiligen Feld forschen, mit Daten, die wir noch nicht hatten oder Methoden, die vorher nicht verfügbar waren", sagt Goecke. "Das funktioniert nicht nur gut, sondern ist auch unglaublich spannend."
Standort 6/8
Was wird aus der Tarifautonomie?
Hagen Lesch forscht mit seinem Team zum Miteinander von Arbeitgebern und Gewerkschaften.
Die Idee der Tarifautonomie ist einzigartig: Zwei Parteien – Arbeitgeber und Vertreter auf der einen Seite, Arbeitnehmer und Gewerkschaften auf der anderen – setzen sich an einen Tisch und einigen sich, welche Arbeitsbedingungen bei ihnen gelten, wie viel Lohn gezahlt wird, wie die Arbeitszeit gestaltet wird oder wie viel Urlaub zur Verfügung steht. Immer wieder mischt sich jedoch eine dritte Partei ein, zuletzt ganz massiv: der Staat. Am IW erforscht Hagen Lesch seit Jahren, wie sich das Gleichgewicht zwischen den Tarifparteien im Laufe der Jahre verändert hat und welchen Einfluss der Staat nimmt. Sein Urteil: "In den vergangenen Jahren beobachten wir immer häufiger Fälle, in denen die Parteien ihre Interessengegensätze nicht autonom überbrücken konnten", sagt Lesch. "Stattdessen rufen vor allem die Gewerkschaften dann den Staat auf den Plan und erhoffen sich Rückendeckung."
Willkürliche staatliche Eingriffe
Im vergangenen Jahr arbeitete Lesch gemeinsam mit seinen Kolleginnen Helena Bach und Sandra Vogel sowie dem Juristen und Hochschullehrer Clemens Höpfner an einer über 500 Seiten starken historischen Betrachtung zum Thema Tarifautonomie. "Tarifautonomie und Tarifgeltung" ist der Titel des Werks, das im Verlag Duncker & Humblot erschienen ist. In seinem Buch untersucht das Team, wie sich die Tarifautonomie in den vergangenen 100 Jahren immer wieder legitimieren musste, damit sie von Politik und Gesellschaft als beste Form der Lohnfindung anerkannt wurde. Einen Extrakt aus dem Buch hat das IW-Team im März 2022 auch als IW-Analyse veröffentlicht.
"Die Entwicklung der vergangenen Jahre ist sehr ungünstig", fasst Lesch zusammen. "Der Staat passt nicht nur den Ordnungsrahmen an. Er greift auch in Prozesse ein. Beim Mindestlohn ist der Eingriff gerade spürbar: Da hat die neue Bundesregierung der Mindestlohnkommission 12 Euro vor- und ihre Entscheidungsbefugnis außer Kraft gesetzt. Ob das ein einmaliger Vorgang bleibt, ist abzuwarten." Und noch eine weitere Tendenz setzt den Staat unter Druck: die sinkende Tarifbindung. Die Gewerkschaften fordern die Regierung zum Handeln auf. Tarifverträge sollen auf alle Unternehmen und Arbeitnehmer ausgeweitet werden, egal, ob sie dies wollen oder nicht. Dann gäbe es in Deutschland ein Zwangssystem, sagt Lesch.
Stunde der Bewährung für Tarifparteien
Ob die Forderung nach einer staatlichen Einmischung wirklich helfen würde, ist laut Lesch fraglich: Der autonome Regelungswille könnte abnehmen; mehr Mitglieder gewönnen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände dadurch auch nicht.
Immerhin gibt es noch Branchen, in denen die Tarifautonomie funktioniert, auch in der Krise. Beispiele seien die Chemie- sowie die Metall- und Elektroindustrie. "Angesichts der aktuellen Herausforderungen schlägt für die Tarifparteien die Stunde der Bewährung", sagt Lesch. "Wenn es den Parteien gelingt, sich gemeinsam auf tragfähige Lösungen zu einigen, wäre das ein gutes Signal für die Tarifautonomie."
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Wie gelingt der Strukturwandel im Rheinischen Revier?
Die IW Consult entwirft Job-Szenarien für den Kohleausstieg.
40 Milliarden Euro sollen bis 2038 in die Regionen fließen, die vom Kohleausstieg in Deutschland betroffen sind. 14,8 Milliarden sind allein fürs Rheinische Revier vorgesehen. Kein Wunder, dass das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium regelmäßig gefragt wird, was das für Wirtschaft und Arbeitsplätze in der Region bedeuten könnte. Was bringen die Milliarden also?
Deutliches Job-Plus erwartet
Konkrete Antworten gab es lange Zeit nicht. Also schrieb das Ministerium eine Studie aus. Die IW Consult erhielt den Zuschlag und hat Anfang Dezember 2021 "Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte der Strukturförderung im Rheinischen Revier" vorgelegt. Darin sind drei Szenarien gerechnet, wie sich die Milliarden auswirken könnten: ein dynamisches, ein pessimistisches und ein dazwischen liegendes "Trendszenario", das man auch das realistische nennen kann. Genutzt hat das Projektteam um Consult-Geschäftsführer Hanno Kempermann eine für Nordrhein-Westfalen regionalisierte Input-Output-Tabelle der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, Literatur zur Wirkung von Infrastrukturinvestitionen und eigene Berechnungen zur Wirkung von Ökosystem-Effekten.
Herausgekommen sind zwischen gut 20.000 und knapp 32.000 zusätzliche Arbeitsplätze im Rheinischen Revier, netto in jedem Fall ein deutlicher Zuwachs gegenüber gut 14.000 Jobs, die durch den Kohleausstieg in der Braunkohlewirtschaft gefährdet sind. Die Fördermittel könnten einen Investitionsimpuls von rund 22,2 Milliarden Euro auslösen, diese Milliarden wiederum Wertschöpfungseffekte in Höhe von über 53 Milliarden Euro, mit Ausstrahlungseffekten auch jenseits des Reviers. Als wichtigste Faktoren dafür, welches Szenario eintritt, nennt die Studie die Auswahl und Priorisierung von Projekten, die Einbindung der Unternehmen, unbürokratische Verfahren sowie Synergieeffekte. Oder kurz: keine Geldverschwendung.
"Das sind Projektionen", betont Kempermann, "wir sagen, was passieren könnte." Noch seien die Pläne der Landesregierung in Teilen (notwendigerweise) abstrakt, es liege etwa die Mittelzuteilung aus dem Fördertopf im Ungefähren. Einige Milliarden sollen demnach in "Industrien der Zukunft", andere in "Infrastruktur für blauen und grünen Wasserstoff" fließen.
"Regelmäßig hart evaluieren und anpassen"
Gleichwohl sagt Kempermann: "Das ist eine Jahrhundertchance. Normalerweise dauert so ein Förderprogramm wenige Jahre und ist mit deutlich weniger Mitteln ausgestattet. Das reduziert die Möglichkeiten enorm. Im Rheinischen Revier aber geht es um 17 Jahre, hier können Lerneffekte während der Laufzeit umgesetzt werden. Deshalb müssen die Beteiligten es ernst nehmen, wenn sie jedes Jahr rund 1 Milliarde Euro ausgeben können: regelmäßig hart evaluieren und anpassen." Im Unterschied zum Kohlepfennig, der alte Strukturen konserviert habe, gehe es schließlich darum, Neues aufzubauen – und vor allem zu erhalten.
Kempermann versteht die Studie deshalb nur als Auftakt. Das Wirtschaftsministerium hat erste Antworten erhalten, Kempermann und er haben die Ergebnisse in einer Vortragsreihe Bürgermeistern, Landtagsabgeordneten und dem interessierten Fachpublikum präsentiert. Jetzt müsse es aber konkret werden, sagt der Consult-Geschäftsführer und hat gleich einen Fragenkatalog im Kopf: "Wie wirkt sich die Strukturförderung auf die Qualifikationen aus? Wer bekommt also die Jobs? Auch die ehemaligen Kohlekumpel? Wo entstehen diese Jobs und ab wann? Wie schnell fließt das Geld und werden wertschöpfungsstarke und innovative Projekte priorisiert? Wie integriert man die Unternehmen am besten?"
Aktuell wird der Strukturwandel zwar überlagert von den Wahlen und der Regierungsbildung in NRW, außerdem tobt der Ukraine-Krieg. Trotzdem wird die Transformation des Rheinischen Reviers weiterhin ganz oben auf der Tagesordnung der Düsseldorfer Landesregierung stehen, erwartet Kempermann.
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Ein neues Markenbild für Deutschland?
Die IW Consult unterstützt den Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung bei "Created by Germany".
Wonach klingt das, "Created by Germany"? Nach einem Qualitätsversprechen und einem Wettbewerbsvorteil. Nach nicht weniger als einer neuen Standortkampagne für Deutschland. Nach dem "Made in ..." des digitalen und Dienstleistungszeitalters. Nach einer Dachmarke, die auch die Wirtschaft jenseits des produzierenden Gewerbes einschließt.
Managerkreis der FES entwirft Zukunftsszenarien
Klingt so, hat aber (noch) nicht diese Tragweite: Tatsächlich verbreitet unter www.createdbygermany.de der Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) "wirtschaftspolitische Impulse für Deutschland 2035 – innovativ, digital, nachhaltig, sicher". Der Kreis schlägt nach eigener Darstellung die Brücke zwischen Management und Politik. Sein Sprecher ist der niedersächsische Unternehmer Klaas Hübner, zu Veranstaltungen erscheint regelmäßig Parteiprominenz. Auch das IW ist vertreten: Die Brüsseler Büroleiterin Sandra Parthie ist eine stellvertretende Sprecherin des Netzwerks. Sie war es auch, die die Konkretisierung von "Created by Germany" mit vorangetrieben hat. Der Managerkreis hat 2021 Szenarien für die Themenfelder Wertschöpfung, Innovation, Know-how, Klima sowie öffentliche und soziale Sicherheit formuliert: Wie sollte Deutschland auf diesen Feldern 2035 dastehen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein – und was müssten Politik und Wirtschaft unternehmen, um das zu erreichen?
Damit solche Ziele aber nicht im Ungefähren und Wohlfeilen von Podiumsdiskussionen bleiben, braucht es eine Landkarte. Messpunkte, an denen sich ablesen lässt, ob Deutschland auf dem richtigen Weg zu diesen Zielen ist. Als eine entsprechende Ausschreibung erschien, bewarb sich die IW Consult auf Parthies Hinweis – und wurde mit ihrer umfassenden Datenexpertise zum wissenschaftlichen Partner im Projekt. "Wir liefern die Indikatoren, um die Thesen des Managerkreises zu operationalisieren", erklärt Consultant Johannes Ewald, der das Projekt geleitet hat. So entstand der "Monitor Deutschland 2035", die "Created by Germany"-Webseite als inhaltliche Plattform hat die Consult auch gleich aufgesetzt. Zum Thema Wertschöpfung etwa listet der Monitor Daten unter anderem zur Breitbandversorgung, zu den Unternehmensteuern und zu der Regulierungsqualität, zum Klima Indikatoren wie CO2-Preise und Ressourcenproduktivität. Das Consult-Team hat unterschiedliche Quellen herangezogen und vergleicht Deutschland stets mit seinen Wettbewerbern und auch die Bundesländer untereinander.
Vom Slogan zur tragenden Idee?
Die Wissenschaftler haben als neutraler Partner agiert: Sie haben die Daten zusammengestellt und dem Kunden deren Aussagekraft erläutert – "welche Interpretationen der Managerkreis mit Blick auf seine Szenarien daraus zieht, ist ihm überlassen", sagt der ebenfalls am Projekt beteiligte Consult-Geschäftsführer Hanno Kempermann. Bis 2035 will die FES die Indikatoren jährlich aktualisieren lassen; mit den Fort- oder Rückschritten bei den Kennzahlen kann der Managerkreis dann seine Narrative und Forderungen untermauern.
"Der Managerkreis hat mit 'Created by Germany' eine Duftmarke gesetzt", sagt Kempermann. "Auch wenn die Flughöhe des Projekts noch recht hoch ist." Dank ihres prominent besetzten Referentenpools und der Anbindung an die Kanzlerpartei aber hätten die Stiftung und ihr Managerkreis durchaus die Chance, aus einem Slogan auch eine tragende Idee für den Standort Deutschland zu machen.
Reisebegleiter
Gemeinsam Richtung Zukunft
Reisebegleiter 1/3
Wie gelingt die Fachkräftesicherung im Mittelstand?
Das KOFA ist seit zehn Jahren am Puls der Zeit.
Am 23. Mai 2011 ging die Webseite des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA), www.kofa.de, online. Das Titelbild: Männer und Frauen im Business-Look, graue Anzüge, lachend, scheinbar freudestrahlend in ihre unternehmerische Zukunft schauend. "Als wir vor über zehn Jahren an den Start gegangen sind, hat das Thema Fachkräftesicherung den Mittelstand noch kaum beschäftigt", erinnert sich Sibylle Stippler, Teamleiterin des KOFA. "Wir mussten vielen Personalverantwortlichen und Geschäftsführenden das Thema erst einmal erklären und für die daraus entstehenden Probleme sensibilisieren", sagt Dirk Werner, Leiter des Kompetenzfelds Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte im IW-Wissenschaftsbereich. "Damals sprachen wir vor allem über den demografischen Wandel und den damit drohenden Mangel an Fachkräften aus den Ingenieur- und Naturwissenschaften."
Informationen für Unternehmen und Multiplikatoren
Wer www.kofa.de im Jahr 2022 aufruft, merkt: Die Arbeitswelt ist bunter geworden. Umworbene Fachkräfte haben ihre grauen Anzüge offenbar eingemottet. Die Fotos zeigen heute Männer und Frauen in lockerem Homeoffice-Outfit, Pflegekräfte bei der Weiterbildung an Tablets, internationale Auszubildende im Handwerk.
Denn die Arbeitswelt wandelt sich - und das KOFA mit ihr: "Wir haben von Anfang an neben einer fundierten Datenanalyse zu Fachkräfteengpässen auch sehr praktische Handlungsempfehlungen zur Fachkräftesicherung und Checklisten für die Unternehmen angeboten", bilanziert Stippler. "Unser Informationsangebot richtet sich heute aber dezidiert auch an Multiplikatoren. Es ist uns wichtig, Wirtschaftsförderungen, Kammern und Verbänden fundierte Materialien für ihre Beratungsarbeit an die Hand zu geben." Die Verknüpfung zwischen Empirie und Praxis ist das Erfolgsrezept des KOFA – und der Grund, dass das Projekt am Institut der deutschen Wirtschaft seit über zehn Jahren und unter wechselnden Ressortleitungen vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird.
Rund 20 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind heute in Teil- oder Vollzeit für das KOFA im Einsatz. Zu fast 60 Themenfeldern der Personalarbeit können kleine und mittlere Unternehmen kostenfreie Informationsmaterialien über die Webseite beziehen. Employer Branding, Personalführung, Rekrutierung – das sind nur einige der Evergreens, zu denen das KOFA informiert. Immer wieder reagieren die IW-Mitarbeiter mit Schwerpunktthemen auch auf gesellschaftliche und politische Entwicklungen. "Im Jahr 2016 haben wir sehr intensiv zur Integration von Geflüchteten und zu Sprachförderung in Unternehmen beraten", erzählen Stippler und Werner. "In den vergangenen beiden Jahren stellten sich Unternehmen pandemiebedingt viele Fragen zu Remote Work oder der Resilienz von Unternehmen und Mitarbeitenden. Für uns war es immer selbstverständlich, auf aktuelle Anforderungen zu reagieren."
Branchenspezifische Fachkräfteanalysen
Dazu gehört auch, dass das KOFA den Unternehmen, Branchenverbänden und Multiplikatoren immer differenziertere Daten zur Verfügung stellt – sei es im Hinblick auf die Regionen oder auf die Branche. Im Jahr 2021 veröffentlichte das Team den ersten branchenspezifischen Fachkräftecheck für die chemische Industrie. Es folgten medial vielbeachtete Analysen für das Handwerk, die Pflege und die IT-Branche.
Überhaupt hat die reichweitenstarke Verbreitung von Forschungsergebnissen einen hohen Stellenwert für das KOFA. Ein eigenes Redaktionsteam pflegt Pressekontakte, bespielt die Social-Media-Kanäle Facebook, LinkedIn, Instagram und Twitter, betreut den Podcast "KOFA auf dem Sofa" und betreibt einen eigenen YouTube-Kanal. "2021 hat unser Team über 180 Veranstaltungen mitgestaltet und über 7.000 Teilnehmende erreicht, auch daran erkennt man: Wir bearbeiten längst kein Nischenthema mehr", erzählt Stippler. "Wir erleben dabei mittlerweile auch immer mehr Schnittmengen mit anderen Akteuren", ergänzt Werner. "Durch unsere Netzwerkarbeit haben wir Partner, mit denen sich gemeinsam viel umsetzen lässt. So unterstützen wir mit unserer Forschungsarbeit die Bundesregierung bei der Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Integration, des Nationalen Aktionsplans Energieeffizienz und der Allianz für Aus- und Weiterbildung."
Die Energiewende ist auch ein Fachkräftethema
Nicht jeder mag den Zusammenhang sofort erkennen: Aber auch für das Gesellschaftsprojekt der Energiewende spielt Fachkräftesicherung eine zentrale Rolle. "Welche Fachleute brauchen wir zur Gestaltung der Energiewende? Wer fehlt uns hierfür heute schon und welche Handlungsoptionen folgen daraus für Politik und Wirtschaft?", fragt Werner. Die empirischen Untersuchungen des KOFA zu diesem Thema laufen bereits. Die Ergebnisse werden die kommenden Jahre der Projektarbeit mitprägen.
Und sonst? Wird das KOFA kleine und mittlere Unternehmen bei der digitalen Transformation ihrer Betriebe unterstützen. "Der Aufbau digitaler Kompetenzen bleibt für unsere Zielgruppe ein ganz wichtiges Thema", sagt Stippler. "Wir bieten deshalb wöchentlich unsere Webinar-Reihe Digitaler Dienstag an, in der wir kostenfrei digitale Trends in der Personalarbeit beleuchten." Es lohnt sich reinzuschauen. Menschen in grauen Anzügen erlebt man dort kaum – dafür ganz unterschiedliche Akteure, die die Arbeitswelt von morgen gestalten wollen.
Reisebegleiter 2/3
Welche Qualifikationen haben ausländische Fachkräfte?
Das BQ-Portal recherchiert und informiert rund um die Berufsabschlüsse Zugewanderter.
Deutschland wirbt seit Jahren für ausländische Fachkräfte. Und sie kommen: In der Bundesrepublik leben inzwischen Millionen Menschen, die im Ausland geboren sind, dort ihren Berufsabschluss gemacht haben und hier arbeiten. Gleichzeitig stehen die deutschen Behörden immer noch vor großen Herausforderungen, vor allem wenn es um berufliche Anerkennung geht – dabei haben Einwanderer einen gesetzlichen Anspruch darauf. Ein Gas- und Wasserinstallateur aus der Ukraine hat in seiner Ausbildung ganz andere Inhalte gelernt als es in Deutschland üblich ist, vielleicht war seine Ausbildung kürzer und seine Prüfung auf andere Schwerpunkte ausgerichtet.
Jubiläumsvideo
Diese Wissenslücke schließt das BQ-Portal – seit inzwischen zehn Jahren. In oft aufwendiger Recherche hat das elfköpfige IW-Team um Daniel Wörndl seither 4.700 Berufsbilder zusammengetragen und für 100 Länder Beschreibungen der Berufsbildungssysteme erarbeitet.
Lehrpläne kommen per WhatsApp
Wichtigste Nutzergruppe dieser digitalen Arbeits- und Wissensplattform sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der sogenannten Anerkennungsstellen, also aus Berufskammern des Handwerks, von Industrie und Handel, der Landwirtschaft und der Freien Berufe. Zu ihnen kommen Menschen aus aller Welt, die in Deutschland unterhalb ihres Qualifikationsniveaus beschäftigt sind oder eine Arbeit suchen und sich mit einer offiziellen Anerkennung bessere Berufschancen erhoffen – die also nachweisen können, dass ihr Beruf dem deutschen Äquivalent entspricht.
Nicht immer haben die Antragstellenden aber neben ihrem Berufsabschluss auch den Lehrplan ihrer Ausbildung in der Tasche, und wenn, ist er oft nicht übersetzt. Das Team des BQ-Portals stellt die Ausbildungsinhalte in mühevoller Arbeit zusammen, erzählt Teamleiter Wörndl. "Wir kontaktieren beispielsweise Berufsschulen und Bildungsministerien in aller Welt und bitten um Lehrpläne und Ausbildungsverordnungen. Viele Leute sind sehr hilfsbereit, gehen in Archive, manche Unterlagen kommen sogar abfotografiert per WhatsApp." Selbst wenn es um Kriegsgebiete wie Syrien, Afghanistan oder die Ukraine geht, gelingt es dem Team, Informationen zusammenzustellen und im Portal aufzubereiten.
Nutzer teilen ihr Wissen
Zudem beantworten die Teammitglieder, die zusammen 16 Sprachen sprechen, täglich Anfragen der rund 400 im BQ-Portal registrierten Mitarbeiter der Berufskammern. Oft geht es um Details und Spezialfälle: Handelt es sich bei der Ausbildung des kasachischen Bonbonmachers um eine staatlich anerkannten Abschluss? Ja, ist er – ins deutsche Ausbildungssyste übersetzt, entspricht das einer Fachrichtung des Konditors. Zuletzt gingen mehr als 1.000 Anfragen jährlich ein. Manche lassen sich schnell beantworten, andere müssen aufwändig recherchiert werden.
In den vergangenen Jahren ist die Plattform zu einer enormen Wissensdatenbank angewachsen, die im geschützten Log-in-Bereich Usern noch viel mehr bietet als im öffentlichen Teil sichtbar: Hier vermerken die Nutzer neue Erkenntnisse und beschreiben, welche Berufsbilder sie unter welchen Bedingungen anerkannt haben, sodass anderen Besuchern der Seite Arbeit erspart wird. Dadurch ist das BQ-Portal nicht nur ein Nachschlagewerk, sondern auch ein Ort zum Austausch, der die Anerkennungspraxis einheitlicher und effizienter macht.
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Wie werden wir künftig arbeiten?
Das Arbeitswelt-Portal bietet "Orientierung für eine Arbeitswelt im Wandel".
Arbeitsbedingungen, Erwerbsformen, Entlohnung und Vergütung, Treiber und Trends – seit Frühjahr 2021 versammelt die Webseite www.arbeitswelt-portal.de Analysen, Daten-Stories, Interviews und Berufsporträts rund um Gegenwart und Zukunft der Arbeitswelt. Das Bundesarbeitsministerium hat das Portal initiiert, inhaltlich getragen wird es vom IW, dem Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen sowie Prognos; die IW Medien unterstützt mit Texten und Formatideen, die IW Consult wiederum programmiert und betreut die Datenbanken mit volkswirtschaftlichen Indikatoren, die die Seite speisen. "Es geht um die Veränderungen, die jeder am Arbeitsplatz erlebt hat, gerade erlebt oder erleben kann", erklärt Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfelds Arbeitsmarkt und Arbeitswelt und zuständiger Projektleiter auf IW-Seite. Wie haben sich Berufsbilder etwa im Handwerk verändert? Wie hängen Inflation, Lohnentwicklung und Produktivität zusammen? Wie könnte die Pandemie langfristig auf das mobile Arbeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Attraktivität von Selbstständigkeit wirken?
Portal bringt unterschiedliche wissenschaftliche Sichtweisen zusammen
Zu solchen und anderen Fragen liefert das Portal Informationen: "Wer Hintergründe und Benchmarks sucht, ist bei uns an der richtigen Stelle", erklärt Stettes den Anspruch. "Für praktische Hilfestellungen im Arbeitsalltag, wie sie zum Beispiel Personaler benötigen, verlinken wir dann auf andere Angebote wie das KOFA. Wir geben eine Einordnung und Orientierung und weisen unsere Nutzer darauf hin, wo sie weiterkommen."
Besonders betont Stettes die verschiedenen wissenschaftlichen Blickwinkel, die in die Beiträge des Portals einfließen: "Wir sitzen mit dem IAQ und Prognos in einem Boot, die eigene Perspektiven auf viele Dinge haben. Gerade das aber ist das Asset des Portals: Wir verständigen uns, weswegen Nutzer des Portals sicher sein können, dass sie ein ausgewogenes Bild erhalten. So ist eine Andockstation für eher gewerkschaftsnah interessierte Menschen entstanden – die zugleich eine für arbeitgebernah Interessierte ist. Und für die Neutralen sowieso."
Geht es um kontroverse Themen wie die Bedeutung von Mitbestimmung in der Transformation, schließen sich zum Beispiel zunächst Autorentandems von IW und IAQ zusammen und erarbeiten eine gemeinsame Linie für einen Beitrag; Prognos sekundiert als Feedback-Geber. "Potenzielle unterschiedliche Perspektiven sprechen wir schon in diesem Stadium an und finden einen Konsens, wie wir sie darstellen", sagt Stettes. "Wir sind sehr selten uneins über das Datenmaterial. In der Draufsicht geht es dann darum, ob das Glas halbvoll oder halbleer ist." Gemeinsame Linien bedeuten jedoch nicht, dass unterschiedliche Wertungen glattgebügelt werden: "Wenn wir ein richtiges Pro und Kontra brauchen, verarbeiten wir das in einem Doppelinterview", erklärt der Projektleiter.
Künftiger Fokus auf digitalen und ökologischen Wandel
Die erste Projektphase der sogenannten Arbeitsweltberichterstattung läuft noch bis 2024. Neben der Themenentwicklung und -aufbereitung für das Portal unterstützen die Wissenschaftler währenddessen auch den "Rat der Arbeitswelt" inhaltlich. Einmal jährlich legt das prominent besetzte Gremium aus Betriebsräten, Personalverantwortlichen, Unternehmern und Wissenschaftlern seinen "Arbeitsweltbericht" vor. Er wirft Schlaglichter auf aktuelle Trends wie die Pandemiefolgen für die Arbeitswelt. In Ergänzung dazu will das Portal zeitloser sein und langfristige Trends auch langfristig begleiten.
In den kommenden Monaten soll vor allem die technische Orientierung für die User weiter optimiert werden. Der Seitenaufbau wird verschlankt, die Navigation überarbeitet. "Wir führen eine Dossier-Struktur ein", sagt Stettes. Sie bildet eine inhaltliche Klammer um Themen und soll gerade übergreifende Trends noch schneller erfassbar machen. Zugleich sollen die Infografiken noch interaktiver werden, die Datenbestände werden aufgefrischt. Inhaltlich wollen die Beteiligten den Fokus enger ziehen: "Anfangs waren wir sehr breit unterwegs", berichtet Stettes. "In der neuen Legislatur werden wir uns zunehmend auf digitalen und ökologischen Wandel und die damit verbundene Fachkräftesicherung konzentrieren." Damit das Arbeitswelt-Portal auch künftig "Orientierung für eine Arbeitswelt im Wandel" bietet.
Alternativrouten
Auf neuen Wegen
Alternativrouten 1/4
Wie belastet der demografische Wandel den Sozialstaat?
IW-Ökonomen erarbeiten Reformvorschläge für die Sozialversicherungen.
Deutschlands Bevölkerung ist schon relativ alt und altert immer weiter. Das setzt bewährte Systeme unter immensen Druck: Auf immer mehr Rentner kommen immer weniger Arbeitnehmer. Was die Jüngeren für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherungen zahlen, reicht in absehbarer Zeit nicht mehr aus, um die Ausgaben für Ältere zu decken. Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt, die Politik längst gefordert – trotzdem gibt es bisher kaum praktikable Lösungsvorschläge. Das mag auch daran liegen, dass sich Politiker mit einigen wirksamen Ansätzen kaum unbeliebter machen können: Länger arbeiten und später in Rente gehen beispielsweise fordert niemand gerne, und schon gar nicht, wenn ein Wahlkampf ansteht.
Schwierige Fragen, schwierige Antworten
Am IW erforschen Jochen Pimpertz und sein Team im Kompetenzfeld Öffentliche Finanzen, Soziale Sicherung, Verteilung seit Jahren die verschiedenen Ebenen des Problems und mögliche Lösungen. So hat Finanz- und Steuerökonom Martin Beznoska Anfang 2022 für eine interaktive Grafik berechnet, wer in welchem Alter wie viel an den Staat zahlt und wer wie viel zurückbekommt. Zahlreiche Medien berichteten, unter anderem die Süddeutsche Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt.
Ein großer Forschungsschwerpunkt im Team ist die gesetzliche Rentenversicherung. Die Rente bewegt viele Gemüter: Die Deutschen sorgen sich vor Altersarmut, durch den demografischen Wandel reicht die staatliche Rente nicht aus. Gleichzeitig ist es jüngeren Generationen kaum zuzumuten, immer höhere Beiträge zu schultern.
Was also tun? In mehreren Gutachten haben sich Jochen Pimpertz mit seinem Team dieser Frage gewidmet. Sein Ergebnis: Wären die Deutschen bereit, länger zu arbeiten und würde die Rente passgenau reformiert, könnte man die Belastungen für die Jüngeren in den kommenden Jahrzehnten begrenzen. "Einer der Bausteine, die wir vorschlagen, hat es in den Koalitionsvertrag geschafft", sagt der Ökonom. So plant die Ampel, den sogenannten Nachholfaktor wieder einzuführen – dadurch ließen sich die Ausgaben für die Rente begrenzen. Vor dem unbeliebten Thema der längeren Lebensarbeitszeit hat sich die Bundesregierung gescheut, es steht nicht im Koalitionsvertrag.
Fonds könnte Probleme lösen
Gleichzeitig sucht die Regierung ihr Heil im Kapitalmarkt. Fonds könnten, bei guter Entwicklung, einen Teil des Problems abmildern und die Lücke im Versorgungssystem schließen helfen – so zumindest die Hoffnung. Das IW ist dieser Frage gemeinsam mit DIW, ifo und dem Walter Eucken Institut in einem Gutachten für das Bundesgesundheitsministerium nachgegangen. "Eine ergänzende Kapitaldeckung unter dem Dach der Sozialversicherung ist technisch möglich, aber nur unter sehr optimistischen Voraussetzungen ökonomisch erfolgversprechend", betont Pimpertz.
Ob und in welcher Form die Regierung solche Überlegungen einbezieht und umsetzt, bleibt offen. Die IW-Ökonomen werden sich auch künftig nicht davor scheuen, Antworten zu präsentieren, die für andere unbequem sein mögen.
Alternativrouten 2/4
Wohin entwickelt sich 3k?
Welche Pläne die Coaching-Tochter im IW-Verbund hat.
Frau Karuschkat, Sie sind nicht nur Anfang 2021 mit Ihrem Unternehmen 3k Teil des IW-Verbunds geworden. Sie waren in Ihrem ersten Jahr im Haus auch Geschäftsführerin der IW Consult neben Karl Lichtblau. Was sind Sie dort angegangen?
Kerstin Karuschkat: Vorweg: Die Consult ist wirtschaftlich sehr erfolgreich durch das Geschäftsjahr gegangen, angetrieben von Herrn Lichtblau und mit großartiger Unterstützung von Hanno Kempermann, der ja nun zum 1. Januar 2022 auch in die Geschäftsführung aufgerückt ist. Ich habe im vergangenen Jahr dabei unterstützt, die Struktur zu verschlanken. Statt vorher vier gibt es jetzt noch zwei Bereiche – das klassische Kerngeschäft der Consult und ECLASS. Das Prinzip dahinter: In den IW-Tochterfirmen muss jedes Geschäftsmodell Geld verdienen. Gibt es dafür keinen Markt oder finden wir keine Kunden, müssen wir als Organisation auch lernen, Dinge wieder sein zu lassen.
Und dann sind Sie mit Ihren Kolleginnen auf der Etage in die Nachbarschaft zur IW Consult gezogen ...
Kerstin Karuschkat: Genau. Mit der Transformation ging einher, dass wir die Büros umgestaltet und hochmodern eingerichtet sowie Flächen neu verteilt haben – wodurch wiederum buchstäblich Raum für 3k entstanden ist.
War Ihre Rolle bei der Consult von vorneherein ad interim angelegt?
Kerstin Karuschkat: Ja, das war so geplant. Der Gesellschafter wollte dort mit Blick auf Transformation und Weiterentwicklung eine Expertin hereinholen – und genau das mache ich mit 3k ja auch für externe Kunden. Und es war angelegt auf den personellen Übergang auf Hanno Kempermann. Während Herr Lichtblau und ich die Restrukturierung gemanagt haben, hat Hanno gemeinsam mit dem Team wirklich spannende Projekte akquiriert und umgesetzt.
Wie sind Sie bei der Transformation oder Weiterentwicklung vorgegangen?
Kerstin Karuschkat: Dafür haben wir ein Transformations-Tool genutzt, das 3k auch bei Kunden einsetzt: das Erfolgslabor. Im Falle der Consult haben wir vier Fragestellungen im Labor behandelt. Das übergeordnete Thema war, wie wir innovativer ins Jahr 2022 gehen. Zu den konkreten Fragen gehörten "Mit welchen Kunden verdienen wir künftig Geld?" und "Sollte ECLASS ausgegründet werden?" Das Labor ist wirklich gut gelaufen, die Consult hat alle Ergebnisse umgesetzt. Dasselbe Werkzeug haben wir dann auch für die Integration von 3k in den IW-Verbund verwendet.
Wie ist die verlaufen?
Kerstin Karuschkat: Gut. In Bereichen wie IT und Personal waren wir noch nie so professionell aufgestellt wie jetzt. Außerdem konnten wir unser Transformations-Know-how weitergeben: Zwei Mitarbeiterinnen aus der Personalabteilung können künftig auch intern Erfolgslabore durchführen, zum Beispiel wenn es um Umbauten im Wissenschaftsbereich geht. Und 3k hat jetzt anders als vorher einen wirklich gelungenen Webauftritt, maßgeblich umgesetzt von der IW Medien. Da merkt man, wie uns die Kompetenz im Verbund weiterhilft, von Technik bis Kommunikation. Die Marke IW stärkt uns einfach.
3k im Video
Wie ist 2021 geschäftlich gelaufen? Wenn 3k Transformationen begleitet, geschieht das ja meist vor Ort. Und da wird Corona sicher Auswirkungen gehabt haben.
Kerstin Karuschkat: Wir verdienen unser Geld durch physische Veranstaltungen wie Workshops. Dieses Geschäft ist ab Mai 2021 wieder angelaufen, bevor es dann im Herbst/Winter mit dem Lockdown erneut zurückging. Zwischendurch haben wir auf Remote-Workshops umgestellt. Wir haben uns aber trotz allem gut geschlagen. Unser Differenzierungsmerkmal ist, dass 3k Manufaktur-Dienstleistungen bietet – wir können deshalb unsere Preise halten, auch wenn sich Kunden durch digitale Formate vielleicht an andere Beträge gewöhnt hatten.
Wie sieht es mit Cross-Selling aus? Sehen Sie Potenzial darin, mit anderen IW-Töchtern wie der Consult und der IW Medien Angebote für Kunden zu machen?
Kerstin Karuschkat: Es gibt erste Ansätze. Derzeit entwickeln wir gemeinsam verschiedene Produkte. Mit der IW Medien geht es zum Beispiel um Corporate-Influencer-Strategien für CEOs: Wie können sie etwa bei LinkedIn ihre Expertise zu bestimmten Themen spielen und sich dort als Marke etablieren? Bei allem geht es um die gemeinsame Power des Produktportfolios.
Inwiefern verändert der Krieg in der Ukraine Ihren Markt?
Kerstin Karuschkat: Unseren und darüber hinaus auch den des IW-Verbunds. Unsere Kunden brauchen Orientierung. Das sind Vorstände von Mittelständlern bis zum Dax-Konzern, die noch nie so nach volkswirtschaftlicher Beratung verlangt haben wie jetzt angesichts des Krieges. Rohstoffpreise, Gas, Seltene Erden – da wachsen Verbindungen zwischen unseren Kunden und der wissenschaftlichen Expertise im IW. Was 3k angeht: In Krisensituationen brauchen Manager grundsätzlich höhere Steuerungskompetenz. Und im Vergleich zu der zweiten Krise, die Unternehmen gerade in kurzer Folge durchleben, ist Corona fast schon einfach zu handhaben.
Wird das so geäußert?
Kerstin Karuschkat: Ja, derzeit müssen sie über alles nachdenken und überall nachsteuern. Sie müssen Grundsatzentscheidungen treffen: Agiere ich moralisch und schreibe dafür Millionenbeträge ab? Wie erkläre ich das meinen Aktionären? Spiele ich auf Zeit und setze darauf, dass der Krieg bald vorbei ist? In solchen Zeiten werden wir nachgefragt. Bei der Evakuierung von Mitarbeitern in der Ukraine kann es dann auch um Leben und Tod gehen. Solche existenziellen Fragen habe ich im Coaching noch nie erlebt.
Alternativrouten 3/4
Passen Anwälte zu Agenturen?
Die IW Medien gewinnt Kanzleien als Kunden.
Dass man nebeneinander lebt, heißt nicht zwangsläufig, dass man viel Kontakt zueinander hat. Diese Erfahrung vieler Großstädter machten lange auch der IW-Verbund und die Wirtschaftskanzlei Oppenhoff: Beide teilen sich die Immobilie Konrad-Adenauer-Ufer 21, sonst aber teilte man bestenfalls ein Kopfnicken am Hintereingang oder beim Mittagessen.
"Wir können Kanzlei"
Bis ein Mitarbeiter der IW-IT seine Stelle und in den anderen Gebäudeteil wechselte: Als Oppenhoff eine Agentur für einen Webseiten-Relaunch suchte, brachte er die ehemaligen Kollegen von nebenan ins Spiel. Und so ist die IW Medien in den vergangenen Jahren zur Leadagentur der Kanzlei gewachsen. "Oppenhoff hatte sein Corporate Design mit einer anderen Agentur überarbeitet", erinnert sich die zuständige Kundenberaterin Silke Kilz. "Für das Ausrollen des Looks auf eine neue Webseite sind wir dann an Bord gekommen. Inzwischen betreuen wir die neue Webseite www.oppenhoff.eu mit allen Überarbeitungen und Erweiterungen, drehen Filme, gestalten Anzeigen, Flyer und andere Printmedien." Seit 2020 ist die IW Medien zudem in Sachen Employer Branding für Oppenhoff aktiv und unterstützt die Kanzlei dabei, Nachwuchsjuristen für sich zu gewinnen.
"Wir können Kanzleien", sagt Kilz. "Komplizierte Fragestellungen sind uns ja nicht fremd, also gelingt es uns auch, uns in die Welt der Juristen einzuarbeiten." Zumal die inhaltliche Trennung klar ist: Die IW Medien liefert Ideen und Inhalte rund um die Kanzleikommunikation, keine rechtlichen Einordnungen. "Beispiel Employer Branding: Da haben Kanzleien ähnliche Bedarfe wie andere Kunden. Nachhaltigkeit und Diversity etwa werden für sie immer wichtiger, auch eine Work-Life-Balance fordern junge Juristen in mittelständischen Kanzleien durchaus ein. Solche Themen sind uns aus anderen Projekten und Kampagnen vertraut, und so inszenieren wir sie nun auch gemeinsam mit Oppenhoff", erklärt Kilz. Eine neue Karriere-Webseite für die Kanzlei wird zum Beispiel Angebote wie flexible Arbeitszeiten und -orte sowie den direkten Mandantenkontakt hervorheben, den bei Oppenhoff schon Jungjuristen haben.
Mögliches Wachstumsfeld
Beraterin Kilz sieht in Kanzleien durchaus ein mögliches Wachstumsfeld. "Die Frage ist ja, ob wir Kunden nur durch die Brille betrachten, mit welchen Inhalten sie unterwegs sind – oder ob wir betrachten, welche Arten von Kommunikation wir ihnen anbieten und welche strategischen Herausforderungen wir mit ihnen angehen können."
Und da unterschieden sich Kanzleien nicht grundlegend etwa von einem M+E-Mittelständler: Beide brauchen einen für sie passenden Außenauftritt, sie brauchen die passenden Botschaften in den passenden Formaten auf den passenden Kanälen für ihre Zielgruppen.
Alternativrouten 4/4
Wie begeistern sich Jugendliche für Wirtschaft und Unternehmertum?
Die IW JUNIOR hat ihren Anspruch und ihr Angebot erweitert.
Die IW JUNIOR hat 2021 ihre Angebote neu strukturiert unter den Schlagworten "LEARN. CREATE. CONNECT." Jüngst ist dann noch "EFFECT" hinzugekommen. Was hat es damit auf sich?
Dominic Sickelmann: Wir wollten auf den Punkt bringen, worum es uns mit unseren Angeboten wirklich geht. Was wollen wir erreichen? Wir wollen in der Bildung, vor allem bei Schülerinnen und Schülern etwas bewirken, to effect auf Englisch. Und welchen Mehrwert hat das, was wir tun, für unsere Kundinnen und Kunden, also Unternehmen, Verbände und Ministerien, die uns fördern? LEARN, CREATE und CONNECT beschreiben den Weg, also unsere Angebote von Einzellerneinheiten und kleinen Lern-Nuggets über unsere Schülerfirmen-Programme unterschiedlichen Umfangs bis zur Netzwerk- und Kompetenzplattformarbeit wie im Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT – und EFFECT ist das gemeinsame Ziel.
Was will die IW JUNIOR denn bewirken?
Kerstin Vorberg: Unser neuer Slogan lautet "Empowering Youth". Wir haben uns bewusst fürs Englische entschieden: Wir sind Teil des internationalen Schülerfirmennetzwerks JA Worldwide, das übrigens für den diesjährigen Friedensnobelpreis nominiert ist. Außerdem muss so ein Slogan in der Geschäftswelt und der Jugendwelt gleichermaßen ankommen. Und unsere Zielgruppe spricht ja inzwischen quasi halb englisch, halb deutsch.
Wozu wollen Sie Jugendliche empowern, also befähigen?
Vorberg: Dazu, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, die Wirtschaftswelt zu gestalten aus der Kraft des eigenen Handelns. Dafür vermitteln wir ihnen Wissen und Methodenkompetenz mit unseren LEARN-Produkten, dafür begleiten wir sie in den aufeinander aufbauenden CREATE-Angeboten. Und dafür bringen wir im CONNECT-Bereich Bildung und Wirtschaft zusammen, um die Basis zu schaffen.
Schlägt sich das in den JUNIOR-Angeboten nieder? Einige Produkte sind ja neu.
Vorberg: Die 10X-Challenge zum Beispiel ist ein Kurzläuferprogramm von maximal acht Wochen, mit dem mehr Jugendliche überhaupt den Zugang zu Themen wie Gründertum, Entwicklung innovativer Geschäftsideen und Selbergestalten erhalten. Dabei setzen Schüler 10 Euro als Startkapital für eine Geschäftsidee ein, die sie entwickeln, produzieren und vertreiben, um die 10 Euro um "X" zu vermehren. So ein Programm ermöglicht es allen Beteiligten, sich in diesem Umfeld auszuprobieren. Ist der Samen gesät, kann sich die Gründung einer Schülerfirma über ein ganzes Jahr anschließen. In Nordrhein-Westfalen läuft derzeit ein Pilotprojekt in einem ähnlichen Rahmen, für das wir ein Pflichtmodul zur Berufsorientierung in der Schule konzipiert haben.
Außerdem vermitteln wir mit verschiedenen Angeboten immer mehr Freiwillige aus der Wirtschaft in die Schulen. Dort erklären sie auf Basis unserer Materialien und Unterrichtsentwürfe zum Beispiel finanzielle Bildung und Nachhaltigkeit, sie führen Innovations-Camps und Bewerbertrainings durch.
Unterm Strich geht es immer darum, unsere Reichweite zu erhöhen. 10.000 bis 12.000 Teilnehmende an JUNIOR-Programmen und knapp 20.000 an allen Angeboten jedes Jahr klingt ja erst einmal viel – aber die potenzielle Zielgruppe besteht aus Millionen Jugendlichen.
Genügt 10X der JUNIOR-Idee von "EFFECT"? Oder soll das nur als Türöffner dienen, um Schulen später das große Schülerfirmenprogramm zu vermitteln?
Sickelmann: Unser Idealbild ist es schon, dass Jugendliche bestenfalls während der gesamten Schulzeit verschiedene unserer Angebote durchlaufen.
Vorberg: Wir wollen ja nachhaltig etwas verändern in der Persönlichkeitsentwicklung und einen relevanten Baustein zur Orientierung zur Verfügung stellen. Bildung ist nur nachhaltig wirkungsvoll, wenn Themen immer wieder aufgegriffen und zur Umsetzung angeboten werden. Nicht, wenn einmal in der zehnten Klasse ein Schülerfirmenprogramm für wenige Schüler läuft. Insofern ist 10X ein Türöffner für uns – und es ist ein Appetizer für Lehrkräfte, an dem sie testen, ob ihnen auch eine größere Portion Entrepreneurship mit einem JUNIOR-Programm schmeckt.
Im vergangenen Jahr hatten Sie, Frau Vorberg, auch davon gesprochen, "Brücken von den JUNIOR-Angeboten in die nächsten Bildungsabschnitte ausbauen" zu wollen. Wie kommt das voran?
Vorberg: Das ist nach wie vor ein wichtiges Weiterentwicklungsthema – die Verknüpfung der Bildungsabschnitte, damit Inhalte nachhaltiger wirken. Wir hatten ein Pilotprojekt mit Azubis in einem Unternehmen, das aber derzeit aus rechtlichen Gründen auf Eis liegt. Aktuell arbeiten wir an einem Piloten für Studierenden-Firmen. Und auch intern wollen wir Brücken schlagen: JUNIOR, die IW Akademie und idealerweise weitere Bildungsprojekte im IW wollen ihre Angebote stärker vernetzen. Da wird Ende des Sommers einiges spruchreif sein. Worum es uns grundsätzlich geht: Wir wollen aus dem IW heraus mehr in Bildungsketten, in Lernreisen denken. Weg von inselartigen Bildungsabschnitten wie bisher: Wir arbeiten im Bereich der Schulen, die Akademie im nächsten Abschnitt der Hochschulen und Young Professionals, aus der Wissenschaft kommen Impulse für die Ausbildung. Das alles wollen wir stärker verknüpft denken.
Zum Beispiel in Richtung duale Ausbildung: Für Finanziers könnten unsere Angebote als Instrument des Arbeitgebermarketings bei der Rekrutierung von Azubis interessant sein. Darin sehen wir großes Potenzial. Und eine Botschaft, mit der die IW JUNIOR derzeit nicht nach außen geht. Wir sind kommunikativ noch nicht wirklich unterwegs in Sachen Fachkräftesicherung. Mit Unternehmen ließen sich aber gezielt Angebote entwickeln, die wir dann in die Schulen bringen. Das kann auch den IW-Verbund stärken: indem wir etwa die Infotrucks der IW Medien kombinieren mit kleinen JUNIOR-Programmen. Im Infotruck lernen Jugendliche etwas zu M+E-Ausbildungsberufen, in einem anschließenden Entrepreneurship-Programm wenden sie es an.
Wirkt sich die Profilschärfung der IW JUNIOR am Markt schon aus, einerseits bei den Schulen, andererseits bei den Finanziers und Partnern?
Sickelmann: Wir haben jetzt ein klareres Portfolio. Gerade der Erstkontakt fällt uns leichter, wir können auch einfach mal eine Information rausschicken, mit der der Empfänger direkt etwas anfangen kann. Vorher war es schon erklärungsbedürftig, welches Ziel wir eigentlich haben und mit welchen Mitteln wir es verfolgen.
Vorberg: Wir wachsen auf der Erlösseite! Es scheint also zu funktionieren. Gerade beim Einwerben von Geldern aus der Privatwirtschaft sehen wir durchaus einen Effekt unserer neuen Aufstellung, obwohl wir das Team im Bereich Business Development erst im September verstärkt haben. An den Schulen stellen wir jetzt erst die Akquise neu und ganzheitlich auf. 2021 stand unterm Strich ein Überschuss, den wir als gGmbH dann direkt reinvestieren: in Personal, ins Fundraising, in Produktentwicklung, in die Digitalisierung.
Ein kleines Invest gab es auch in Sachen Kommunikation: Die IW JUNIOR hat jetzt ihren eigenen Podcast "Erfolgsraketen", moderiert von Herrn Sickelmann. Was ist die Idee dahinter?
Sickelmann: Wir fragen, was Erfolg bedeutet. Das fragen wir vor allem Gründerinnen und Gründer, auch solche, die wie Vivien Wysocki in der Schule mit einer JUNIOR-Firma angefangen haben. Was ist entstanden aus dem Samen, den wir damals mit dieser Firma eingepflanzt haben? Anhand welcher Kriterien sagen sie heute, ich bin erfolgreich? Das soll Inspiration sein, es soll aber auch die Diskussion über unser Bildungssystem anregen: Leistet es das, was wir für eine Gründerkultur bräuchten? Der Tenor dazu ist eher: nein.
Herr Sickelmann, von Ihnen habe ich hier noch ein Zitat aus dem letztjährigen Geschäftsbericht. Da sagten Sie mit Blick auf die JUNIOR-Zukunft: "Was wir wollen oder was wir denken, wie sich Dinge verändern sollten, ist völlig irrelevant. Wir müssen mit den Zielgruppen sprechen." Was sagen die Ihnen?
Sickelmann: Traditionell haben wir meist die Lehrkräfte angesprochen, um mit unseren Programmen in Schulen zu kommen. Das brechen wir jetzt auf und sprechen über Instagram Jugendliche auch direkt an – damit sie dann auf ihre Lehrkräfte zugehen und sie überzeugen, JUNIOR-Angebote in den Unterricht zu integrieren. Natürlich müssen unsere Inhalte und Formate auch weiterhin Lehrer überzeugen. Sie müssen aber vor allem auch bei den Jugendlichen ankommen. Wir werden jeden Tag besser darin, uns in der Produktentwicklung immer an die Bedürfnisse unserer Nutzer zu erinnern.
Vorberg: Es geht dabei natürlich auch um die Finanziers aus der Wirtschaft, die Programme wie Fit für die Wirtschaft und The Schools Challenge unterstützen. Die Unternehmen können definieren, was sie von den Menschen brauchen, die später für sie arbeiten sollen. Um diese Bedürfnisse geht es in unserem CONNECT-Bereich, gerade im Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT. Darüber hören wir in die Schnittstelle zwischen Schulen und Unternehmen rein. Wirtschaft muss verstehen, wie Schule tickt, was sie leisten kann und was nicht und wie Jugendliche drauf sind. Die Schulen wiederum sollten die Augen öffnen für das, was in der Wirtschaft passiert, in deren Hände sie die Jugendlichen ja entlassen. Dieses Verständnis füreinander vermitteln wir.
Grün unterwegs
Wirtschaft nachhaltig denken
Grün unterwegs 1/3
Wie klappt der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft?
Ein IW-Projekt untersucht die Bedeutung von Wasserstoff für die Energiewende.
Deutschland redet über Gas. Erdgas vor allem. Dabei lässt sich die Zukunft der Energieversorgung – vor allem die grüne Energieversorgung – nicht ohne ein zweites Gas denken: Wasserstoff. "Wasserstoff ist ein entscheidender Baustein in unserer Nullemissionsstrategie bis 2045", sagt Malte Küper. Im IW-Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur forscht er im Projekt SCI4climate am klimaneutralen Umbau energieintensiver Industrien in Nordrhein-Westfalen und hat sich zuletzt in mehreren Publikationen mit dem Potenzial von Wasserstoff beschäftigt.
Wasserstoff ist Hoffnungsträger in vielen Bereichen
Wasserstoff könnte künftig überall dort als Energieträger eingesetzt werden, wo die beiden anderen Bausteine der Strategie allein nicht tragen: der Ausbau der Erneuerbaren und eine höhere Energieeffizienz. "Es gibt Bereiche der Industrie, die können nicht mit Grünstrom elektrifiziert werden", erklärt der studierte Energietechniker. "Die Primärstahlerzeugung etwa, für die man einen stofflichen Energieträger braucht." Dort heißt der Hoffnungsträger Wasserstoff (siehe Video). Wie auch in einigen Prozessen der chemischen Industrie, auf Langstreckenflügen, im Schiffsverkehr und bei der Wärmeerzeugung überall dort, wo man elektrische Wärmepumpen nicht nutzen kann. Auch im Lkw-Bereich läuft ein Technologie-Wettrennen: zwischen Batterieelektrizität und Wasserstoff. Die Anwendungen sind vielfältig, die Bandbreite der Schätzungen ist enorm: Allein der Bedarf an klimafreundlichem Wasserstoff in Deutschland im Jahr 2030 wird mit zwischen 43 und 63 Terawattstunden (TWh) angegeben, wovon der Großteil auf die Industrie entfallen könnte.
Was die Aufgabe nicht einfacher macht: Damit Wasserstoff auf das Klimaziel einzahlt, muss er grün sein, also unter Einsatz von Grünstrom per Elektrolyse aus Wasser gewonnen werden. Andere Wasserstoff-"Farben" wie grauer aus fossilen Brennstoffen und blauer, bei dessen Erzeugung CO2 abgespalten und gespeichert wird, sind klimapolitisch problematisch. Ist er erst einmal erzeugt, muss Wasserstoff transportiert, verteilt und in teils gänzlich neuen Anlagen und Anwendungen eingesetzt werden.
Viele Mammutaufgaben auf einmal, auch wenn die Ampelkoalition für 2030 eine Verdoppelung der bisher geplanten Erzeugungskapazitäten auf 28 TWh in Deutschland anvisiert. Welchen Schritt sollte man da zuerst tun, an welcher Schraube drehen? Küper hat das gemeinsam mit Thilo Schaefer und Andreas Fischer aus seinem Kompetenzfeld sowie Wissenschaftlern des Wuppertal Instituts in zwei Studien für SCI4climate analysiert: "Wasserstoffwirtschaft: den Einstieg schaffen" blickt vor allem auf politische Rahmenbedingungen, eine zweite Publikation bewertet die Realisierbarkeit von Wasserstoffimporten.
"Es wird alles schneller gehen müssen"
Eines macht Küper mit Blick auf Zeitpläne, Ambitionen und Kapazitäten klar: Angesichts des Ukraine-Kriegs ist der hohe Zeitdruck beim Wasserstoff-Um- und Einstieg nochmal gestiegen. "Es wird alles schneller gehen müssen. Der Bedarf an grünem Wasserstoff wird höher ausfallen und schneller steigen. Deshalb werden wir enorme Kapazitäten an erneuerbaren Energien brauchen. Und das vor allem im Ausland. Wenn etwa BASF oder Thyssenkrupp ihre Anlagen auf grünen Wasserstoff umstellen wollen, ist das keine nationale Aufgabe allein – das muss man europäisch oder international denken." Deutschland sichert sich derzeit erste Wasserstoffkapazitäten: Wirtschaftsminister Robert Habeck war dazu im März am Persischen Golf unterwegs, Eon hat jüngst eine Vereinbarung mit einem australischen Unternehmen beschlossen.
Zwei laut Küper sinnvolle Partnerschaften. "Wo ist es wahrscheinlich, dass große Anlagen gebaut werden?", fragt er und zählt auf: "zum Beispiel in den Golfstaaten, in Chile, Australien und Spanien. Sie alle haben die Flächen sowie Wind und Sonne, um große Mengen Erneuerbare für die Elektrolyse zu erzeugen." Strategisch komme es auf eine Diversifizierung der Quellen an: "Beim Wasserstoff schaffen wir langfristig keine neuen Abhängigkeiten wie beim Erdgas. Nahezu jedes Land mit guten Wind- und Sonnenressourcen kann Wasserstoff produzieren und exportieren. In den Anfangsjahren könnte es allerdings zu Engpässen kommen, wenn die benötigte Transportinfrastruktur fehlt." Dabei macht ihm die derzeitige Erdgas-Offensive Hoffnung: "Die Terminals zum Beispiel, die Deutschland derzeit für Flüssiggasimporte errichten will, um unabhängiger zu werden von russischem Gas, können wir später für Wasserstoff nutzen."
Der Weg dazwischen und danach bleibt allerdings holprig: Geeignete Tankschiffe für flüssigen oder gasförmigen Wasserstoff gehen erst in den Testbetrieb, Lkw stehen zur Verfügung, können aber nur einen Bruchteil der benötigten Mengen transportieren. Pipelines werden auf absehbare Zeit vor allem Erdgas befördern, einzelne Leitungen könnten allerdings auf Wasserstoff umgestellt werden und wären laut Küper bis 2030 die "vielversprechendste Möglichkeit", aus dem europäischen Ausland Wasserstoff zu importieren.
Zwei laut Küper sinnvolle Partnerschaften. "Wo ist es wahrscheinlich, dass große Anlagen gebaut werden?", fragt er und zählt auf: "zum Beispiel in den Golfstaaten, in Chile, Australien und Spanien. Sie alle haben die Flächen sowie Wind und Sonne, um große Mengen Erneuerbare für die Elektrolyse zu erzeugen." Strategisch komme es auf eine Diversifizierung der Quellen an: "Beim Wasserstoff schaffen wir langfristig keine neuen Abhängigkeiten wie beim Erdgas. Nahezu jedes Land mit guten Wind- und Sonnenressourcen kann Wasserstoff produzieren und exportieren. In den Anfangsjahren könnte es allerdings zu Engpässen kommen, wenn die benötigte Transportinfrastruktur fehlt." Dabei macht ihm die derzeitige Erdgas-Offensive Hoffnung: "Die Terminals zum Beispiel, die Deutschland derzeit für Flüssiggasimporte errichten will, um unabhängiger zu werden von russischem Gas, können wir später für Wasserstoff nutzen."
Der Weg dazwischen und danach bleibt allerdings holprig: Geeignete Tankschiffe für flüssigen oder gasförmigen Wasserstoff gehen erst in den Testbetrieb, Lkw stehen zur Verfügung, können aber nur einen Bruchteil der benötigten Mengen transportieren. Pipelines werden auf absehbare Zeit vor allem Erdgas befördern, einzelne Leitungen könnten allerdings auf Wasserstoff umgestellt werden und wären laut Küper bis 2030 die "vielversprechendste Möglichkeit", aus dem europäischen Ausland Wasserstoff zu importieren.
Unternehmen brauchen Anreize
Am Ende der Kette, beim Verbraucher, wiederum hält der Forscher vor allem Anreize für notwendig. Derzeit rechnet sich grüner Wasserstoff für Unternehmen nicht: "Wenn ich als Stahlhersteller meine Anlagen auf klimafreundlichen Wasserstoff umstelle, riskiere ich, dass mein Produkt am Ende nicht gekauft wird, weil es preislich nicht konkurrenzfähig ist und es noch keinen Markt für grüne Grundstoffe gibt. Die Mehrkosten betragen zwischen 200 und 300 Euro pro Tonne." Erste Anreize schafft das Förderprojekt H2Global: Der Bund hat eine gleichnamige Stiftung gegründet, die weltweit grünen Wasserstoff ein- und an Abnehmer in Deutschland verkauft. Dabei zahlt die Stiftung den Differenzbetrag zwischen Erzeugung und Verbrauchspreis.
Im Rahmen von SCI4climate suchen Wissenschaft und Wirtschaft nach weiteren Lösungen. "Ein entscheidender Erfolgsfaktor unseres Projekts ist der regelmäßige Austausch mit der Politik", sagt Küper. "Da sehe ich uns gemeinsam mit der Industrie als Treiber: Die Pläne für neue Anlagen liegen in den Schubladen – was den Unternehmen fehlt, sind Signale aus der Politik, wie der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft möglichst rasch gelingt." Ein solches Signal könnten Klimaschutzverträge sein, wie sie auch IW-Direktor Michael Hüther kürzlich im Handelsblatt skizziert hat. Dabei würde der Staat Unternehmen per Subventionierung bei Klimaschutzinvestitionen absichern, etwa für den Bau einer klimafreundlichen Stahlproduktion. "So ließen sich auf einen Schlag große Anlagen umstellen und damit eine sichere Nachfrage nach Wasserstoff schaffen", sagt Küper. "Das Henne-Ei-Problem in der Debatte wäre gelöst: 'Wir fangen nicht an zu produzieren, bis die Nachfrage geklärt ist' versus 'Wir stellen nicht um, bis klar ist, wie viel Wasserstoff wir erhalten'."
Grün unterwegs 2/3
Wie lässt sich die Kreislaufwirtschaft erreichen?
Das IW erforscht, wie die Grundstoffindustrie den Weg zur Klimaneutralität bewältigt.
Klimaschutz und Dekarbonisierung gehen uns alle an: Um Deutschlands Klimaziele zu erreichen, müssen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft an einem Strang ziehen – und am besten in dieselbe Richtung. Doch wie können gerade energieintensive Industriezweige Emissionen senken, wertvolle Rohstoffe sparen und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreich bleiben? Mit diesen Fragen befasst sich das IW im Rahmen der Initiative IN4climate.NRW, die Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen zusammenbringt. "Das Projekt zeigt auch die Bereitschaft der Unternehmen, Prozesse grundlegend zu verändern. Es macht Spaß zu sehen, dass dieser Wille da ist – auch wenn wir hier erst am Anfang stehen", sagt IW-Nachhaltigkeitsexpertin Sarah Fluchs.
Die IW-Forscher aus dem Kompetenzfeld Umwelt, Energie, Infrastruktur setzen sich im unterstützenden Forschungsprojekt SCI4climate.NRW vor allem damit auseinander, welche Rahmenbedingungen für die erfolgreiche industrielle Transformation hin zur Klimaneutralität notwendig sind. Auf unterschiedlichen Ebenen – technologisch, ökologisch, ökonomisch und infrastrukturell – analysieren sie Herausforderungen und zeigen Lösungswege auf.
Video: Sollten sich Rohstoffe im Kreis drehen?
Wertschöpfungsketten besser verstehen
Dieses Know-how ist unter anderem in ein Diskussionspapier zur Kreislaufwirtschaft in der Grundstoffindustrie eingeflossen. Im Kern geht es darum, wie etwa Chemieunternehmen, Baustoff- und Aluminiumhersteller ihre Produkte besser im Kreis führen können, sie also nach Gebrauch aufbereiten und wiederverwerten, statt zu entsorgen.
Handlungsbedarf sieht Fluchs vor allem darin, sogenannte Stoffströme besser zu verstehen. Meist kenne man nur einen Teil des Materialflusses – etwa wo die Rohstoffe herkommen oder wie sie verarbeitet werden. Aber was geschieht mit Nebenprodukten und wie können Materialien nach der Nutzung zurück zum Produzenten gelangen? Eine wichtige Voraussetzung, um Antworten hierauf zu finden, sei die Vernetzung, sagt Fluchs: Unternehmen müssten Wertschöpfungsprozesse branchenübergreifend betrachten. "Nur so erfährt man, welche Nebenprodukte aus dem eigenen Unternehmen auch für andere relevant sind. Schlacke aus der Stahlindustrie kann beispielsweise als Zementbestandteil eingesetzt werden", so Fluchs.
Erfahrungsaustausch als Entwicklungstreiber
Auch beim Recycling von Rohstoffen im Sinne der Kreislaufwirtschaft sieht die IW-Ökonomin noch Luft nach oben. Wer Sekundärrohstoffe wieder dem Wertstoffkreislauf zuführt, verbraucht weniger Ressourcen und stößt weniger Treibhausgase aus. "Effizientere Ressourcennutzung verringert zudem die Abhängigkeit von Importen", betont Fluchs.
Zum Beispiel in der Aluminiumbranche ist Recycling daher ein großes Thema. Zwar sei etwa die Einsatzquote von recycelten Materialien in der Aluminiumbranche gesetzlich geregelt und die Unternehmen verwerteten schon einen Großteil des Aluminiumschrotts wieder. Doch würden recycelte Materialien noch relativ selten für neue Produkte eingesetzt. "Was in der Theorie gut klingt, bringt auf technischer Ebene manchmal Probleme mit sich", betont die IW-Expertin. So schaffen die Unternehmen es nicht, mit dem Material, das tatsächlich zurückkommt, diese Einsatzquote sinnvoll zu erfüllen. "Im Austausch mit den Unternehmen erfahren wir direkt, wie sich eine Strategie oder ein Gesetz in der Praxis auswirkt. Durch den engen Austausch, auch auf politischer Ebene, sind wir in der Lage, Ergebnisse zu spiegeln und die Entwicklung zur Kreislaufwirtschaft voranzubringen."
Zirkuläre Geschäftsmodelle
Der Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft wird nicht nur die Produkte und Produktionsprozesse, sondern auch die Geschäftsmodelle im Kern verändern. Gemeinsam haben Sarah Fluchs und ihre Kollegin Adriana Neligan daher die Geschäftsmodelle von Unternehmen mit Blick auf die strategische Ausrichtung am Konzept der Kreislaufwirtschaft untersucht. Dabei fanden sie heraus, dass Industrieunternehmen mit ganzheitlichen zirkulären Strategien erfolgreicher sind: Sie setzen stärker auf Vernetzung in den Wertschöpfungsketten sowie auf neue Märkte und Geschäftsmodelle. Allerdings stehen viele Industrieunternehmen noch am Anfang dieser Transformation – mehr als ein Drittel des verarbeitenden Gewerbes hat bisher keine Strategie für die Kreislaufwirtschaft.
Der richtige Umgang mit wertvollen natürlichen Ressourcen spielt auf dem Weg zur Klimaneutralität aber eine wichtige Rolle: Produkte, Herstellungsprozesse und Geschäftsmodelle müssen sich von einer linearen zu einer Kreislaufwirtschaft wandeln. Die Erkenntnisse der IW-Forscher und ihrer Kollegen im Rahmen der Initiative IN4climate.NRW bereiten den Weg für eine erfolgreiche Transformation.
Grün unterwegs 3/3
Wie geht Nachhaltigkeitskommunikation?
Die IW Medien treibt das Thema Nachhaltigkeit voran – für Kunden und intern.
Nachhaltigkeit ist zum zentralen Zukunftswert geworden. Nicht nur in Deutschland, sondern auch global. Im Alltag von Konsumenten, in der öffentlichen Debatte, auf der politischen Bühne, für die Finanzwelt – und für die unternehmerische Verantwortung. Alle Beteiligten eint eine große Frage: Wie arbeiten und wirtschaften wir so, dass Umwelt und Klima geschützt werden und sich zugleich Menschen und Unternehmen angemessen entwickeln können? Getrieben wird die öffentliche Debatte durch den Klimawandel, der Ukraine-Krieg und die drohende Energiekrise beschleunigen sie noch einmal – und die gesetzliche Regulierung verpflichtet vor allem die Wirtschaft zunehmend, nicht nur nachhaltig zu agieren, sondern das auch transparent zu kommunizieren.
EU verschärft die Regeln, Mittelstand muss reagieren
Während börsennotierte Unternehmen schon länger Nachhaltigkeits- oder CSR-Berichte vorlegen müssen, will die EU nun auch für KMU die Regeln verschärfen: Spätestens für das Geschäftsjahr 2024 sollen sie ihr Nachhaltigkeitsengagement in nicht-finanziellen Berichten offenlegen. Für die IW Medien ist das eine doppelte Chance: in Kundenprojekten und in der Darstellung nach außen. Kundenberater Stephan Pöpsel-Schalück ist der Nachhaltigkeitsbeauftragte der Agentur und berichtet von ersten Projekterfolgen: "2021 haben wir für KIRCHHOFF Automotive deren ersten Nachhaltigkeitsbericht gestaltet und redaktionell betreut, im laufenden Jahr folgt die zweite Ausgabe." KIRCHHOFF lieferte Daten für Infografiken, inhaltlichen Kontext und Fotos, aus denen die IW Medien eine Publikation schuf, die sich an den weltweit anerkannten Berichtsstandards der Global Reporting Initiative (GRI) orientiert.
"Unternehmen müssen loslegen, auch gerne mal pragmatisch", sagt Pöpsel-Schalück. Gerade KMU hätten dafür mehrere Gründe: "Erstens steht die Regulierung bevor, zweitens sollte man den Wettbewerbsvorteil nutzen, nachhaltiger als andere zu sein und das auch zu zeigen. Und drittens gibt es Druck von Kunden: Konzerne müssen sich gegen Risiken in der Lieferkette absichern und verpflichten ihre Zulieferer deshalb zu Offenlegungen." Wie der Mittelstand reagieren sollte, skizziert Nicolas Schöneich, Textchef Crossmedia Content und verantwortlich für den KIRCHHOFF-Bericht: "Die Zeit bis zur Rechtsverbindlichkeit können KMU nutzen, um die für sie wesentlichen Nachhaltigkeitsthemen festzulegen, interne Strukturen aufzubauen, Verantwortliche zu benennen und relevante Daten zusammenzutragen – und um dies in eine Nachhaltigkeitskommunikation zu gießen, die sie Jahr für Jahr optimieren. Wobei wir natürlich gerne unterstützen."
Tipps für KMU, die sich erstmals mit Nachhaltigkeitskommunikation befassen, hat Schöneich im Blog der IW Medien aufgeschrieben. Einer ist ihm besonders wichtig: "Nachhaltigkeit ist mehr als 'Wir sind total umweltfreundlich'. Die wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns gehört genauso dazu." Aus- und Weiterbildung, Gesundheitsschutz, Diversity, Erfolgsbeteiligungen, langsames Wachstum statt schnellen Profits – vieles, was etwa Familienunternehmen erfolgreich praktizieren, ist nachhaltig. Es wird nur nicht so genannt. Diese Erfahrung hat Schöneich auch gemacht, als er Anfang 2022 für einen baden-württembergischen Weltmarktführer als Ghostwriter in Sachen Nachhaltigkeit aktiv war: "Die taten seit Generationen unheimlich viel in den Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Das haben wir in eine stringente Erzählung zum Thema Nachhaltiges Personalmanagement übersetzt."
Die IW Medien berechnet eigenen CO2-Fußabdruck
Die IW Medien berechnet eigenen CO2-Fußabdruck
Für den strategischen Blick aufs Thema hat Pöpsel-Schalück ein berufsbegleitendes Studium zum Nachhaltigkeitsmanager absolviert. Parallel hat die IW Medien Experten für die Konzeption, Begleitung und Umsetzung von Nachhaltigkeitskommunikation aufgebaut: Dazu haben drei Redakteurinnen und Redakteure aus dem Crossmedia-Team unter anderem Schulungen in der Anwendung der GRI-Standards absolviert.
Die IW Medien ist aber nicht nur kompetenter Ansprechpartner für Unternehmenskunden, sondern wird auch selbst mit gutem Beispiel vorangehen. "Seit Anfang April 2022 läuft die Berechnung unserer Emissionsbilanz", sagt Pöpsel-Schalück. Vom Bürogebäude bis zu den Kundenprojekten will die IW Medien mit Unterstützung eines externen Partners ein möglichst scharfes Bild des eigenen CO2-Fußabdrucks gewinnen.
"Auf dieser Bestandsaufnahme aufbauend wollen wir uns im zweiten Halbjahr 2022 Ziele setzen und eine Strategie entwickeln", erklärt der Kundenberater. Dann will er einen sogenannten Wesentlichkeits-Workshop mit der Führungsebene der Agentur sowie Finanz- und Personalverantwortlichen des IW-Verbunds organisieren. Das Ziel: jene Felder identifizieren, auf denen die IW Medien Nachholbedarf hat. Und natürlich jene, auf denen die Agentur nachhaltig unterwegs ist und die sie kommunikativ nutzen kann, um sich am Markt zu differenzieren. Sozialleistungen und eine langfristige Personalentwicklung etwa, die die Arbeitgeberattraktivität erhöhen. Oder lange laufende Projekte, mit denen die Agentur beweist, dass sie nachhaltige Kommunikation beherrscht. "Nachhaltigkeit spielt schon seit vielen Jahren eine wichtige Rolle bei uns – aber auch wir haben sie nicht so benannt. Dabei gehören Nachhaltigkeitsaspekte wie die Nachwuchssicherung mit den M+E-Infotrucks, die Stärkung der Sozialpartnerschaft und die Standortsicherung zu unserer Themen-DNA."
Reisebekanntschaften
Partnerschaften und Netzwerke
Reisebekanntschaften 1/1
Kooperationen, Partnerschaften und Vernetzung
Europareise
2020 hat das IW ein Fünf-Jahres-Mandat für den EWSA erhalten, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Diese europäische Institution gibt Stellungnahmen zu allen EU-Vorhaben und Gesetzesvorschlägen der EU-Kommission ab. Das IW ist in den Sektionen Binnenmarkt und Soziale Angelegenheiten, Beschäftigung vertreten. Sandra Parthie, die Leiterin des Brüsseler IW-Büros, nimmt das Mandat wahr. In ihrer Funktion hat sie 2021 Stellungnahmen verfasst zu den europäischen Industrie- und Normungsstrategien, industriellen Ökosystemen und ihrem Beitrag zur strategischen Autonomie Europas sowie zur strategischen Vorausschau der EU-Kommission.
Zudem konnte das Brüsseler IW-Büro dank der Corona-Lockerungen im vergangenen Geschäftsjahr zeitweise wieder mehr Events und Besuche von IW-Fachleuten in Brüssel organisieren.
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Am 19. Mai 2021 diskutierten auf Einladung der Hanns Seidel Stiftung unter anderem der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber und Jürgen Matthes, Leiter des IW-Kompetenzfelds Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur, in einer Videokonferenz über "Haushaltspolitik nach Corona: Schuldenkrise oder Stabilität?"
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Mitte Juni 2021 besuchten die IW-Ökonomen Galina Kolev und Roland Kube die CDU/CSU-Fraktion im Europaparlament und referierten zu CO2-Grenzausgleichsmechanismen.
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Thomas Obst, persönlicher Referent von IW-Direktor Michael Hüther, sprach am 6. Oktober 2021 beim "Midday Seminar" der Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der EU-Kommission über das Arbeitskräftepotenzial der deutschen Wirtschaft.
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Der IW-Geschäftsführer Wissenschaft Hubertus Bardt traf im November 2021 verschiedene Vertreter der Generaldirektion GROW der EU-Kommission, zuständig für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU.
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IW-Direktor Hüther war gleich mehrfach aktiv im EU-Kontext: Er sprach in Brüssel mit Vertretern der Generaldirektionen Wirtschaft und Finanzen sowie Finanzstabilität und Kapitalmärkte. Anfang Dezember 2021 diskutierte er mit dem CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber im Europäischen Parlament über die finanzielle Stabilität Europas vor dem Hintergrund von steigender Inflation und lockerer Schuldenregelung.
- Im Januar 2022 nahm Hüther an einer digitalen Podiumsdiskussion des Bundesverbands deutscher Banken zum Thema "Rising inflation – is it here to stay?" teil, unter anderem mit der polnischen Ökonomin und Europaabgeordneten Danuta Hübner.
- Vera Demary, Leiterin des Kompetenzfelds Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb, vertrat das IW am 10. Februar 2022 beim Webinar "Is the EU ready for the data economy?", veranstaltet vom European Liberal Forum, der Dachorganisation der liberalen Parteistiftungen. Zum selben Thema war sie auch Gast im Podcast des Forums, "Liberal Europe".
Michael Hüther im Podcast
Seit Mitte April 2021 widmet sich IW-Direktor Michael Hüther jeden Freitag den globalen "Economic Challenges": Im gleichnamigen Podcast des Handelsblatts spricht er mit Ko-Gastgeber Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute, unter anderem über Schuldenbremse und Inflation, Klimaschutz und Russland-Sanktionen. Alle Episoden zum Nachhören gibt es direkt beim Handelsblatt oder im Abonnement auf vielen großen Podcast-Plattformen.
Auch in anderen Podcasts war der IW-Direktor präsent, etwa im “Scholz-Update” des Hamburger Abendblattes im Gespräch mit dessen Chefredakteur Lars Haider.
Corona und Klima, Will und Plasberg
Die politisch und wirtschaftlich prägenden Themen 2021 waren die fortdauernde Corona-Pandemie sowie die Bundestagswahl im Herbst. An beiden Debatten haben sich das IW und sein Direktor Michael Hüther wirksam beteiligt. Hüther war unter anderem in Diskussionsrunden bei Anne Will und Frank Plasberg zu Gast. Am 2. Mai 2021 stand "Anne Will" unter der Überschrift "Änderung der Impfreihenfolge, Rückkehr zu Grundrechten – wer darf wann wieder was?". Eine von Hüthers Antworten: "Es wird zu wenig über strukturierte Öffnungsmöglichkeiten gesprochen." Die ganze Sendung finden Sie hier:
Frank Plasberg diskutierte im Vorfeld der Bundestagswahl bei "Hart aber fair" Fragen der Bürger zu den größten Herausforderungen für eine künftige Bundesregierung. Am 23. August 2021 war IW-Direktor Hüther einer der Experten im Studio, als es um "Klimaschutz im Bürger-Check: Welcher Partei kann man vertrauen?" ging. Die Sendung können Sie sich hier ansehen:
Festrede zum 70. Geburtstag des IW
Am 27. Mai 2021 fand der traditionelle Gremientag des IW statt – pandemiebedingt leider nur virtuell. Besonders schade, weil eigentlich abends der 70. Geburtstag des Instituts mit einer Feier begangen werden sollte. So oder so wäre aber die Rede von Jens Weidmann zum Jubiläum des Instituts der Höhepunkt des Tages gewesen.
Unter dem Titel "Erfolgsgeschichte Soziale Marktwirtschaft – mit Rat und Tat in die Zukunft" holte der Bundesbankpräsident weit aus und beschwor die ordnungspolitischen Grundlagen der bundesdeutschen Wirtschaftsordnung: "Wettbewerb ist ein Garant für die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft. Er schafft Wohlstand, er muss aber auch geschützt werden. Dafür braucht es ein kluges Wettbewerbsrecht und starke Kartellbehörden." Eingangs hatte Weidmann darauf hingewiesen, dass die Geschichte des IW eng verknüpft ist "mit der Geschichte unserer Wirtschaftsordnung; um die Wurzeln des heutigen IW zu verstehen, muss man deshalb noch etwas weiter als 70 Jahre zurückgehen".
Die Rolle des Instituts ordnete der Bundesbankpräsident am Ende seiner Rede wie folgt ein: "Das IW setzt sich seit 70 Jahren dafür ein, dass marktwirtschaftliche Prinzipien beachtet und wertgeschätzt werden und dass das freiheitliche Gedankengut der Sozialen Marktwirtschaft Verbreitung findet. Dieses Anliegen hat über die Jahrzehnte nichts an seiner Wichtigkeit verloren. Ich bin davon überzeugt, im Diskurs um den richtigen Weg unserer Wirtschaftsordnung wird sich das IW auch künftig Gehör verschaffen – mit seinen profunden Analysen und verständlichen Botschaften."
Letzte Sitzung des Corona-Expertenrats NRW
Am 23. Juni 2021 kamen die Mitglieder des Expertenrats Corona der Landesregierung Nordrhein-Westfalen zu ihrer 17. und letzten Sitzung zusammen – eines der Mitglieder war IW-Direktor Michael Hüther. Bezeichnenderweise war dies die erste Sitzung in Präsenz. Verabschiedet wurde dabei die 6. Stellungnahme des Rates. Darin rät das Gremium zu einem besonnenen Umgang mit der Entspannung der Krise, da ab Herbst aufgrund der hohen saisonalen Muster wieder mit einem Anstieg der Infektionszahlen zu rechnen sei. Darüber hinaus tritt der Expertenrat für eine intensive Analyse und Bewertung des Pandemiemanagements von Bund, Ländern und Kommunen ein, um für zukünftige pandemische Lagen strategisch und politisch vorbereitet zu sein. In den Blick zu nehmen sind dabei die Handlungsfelder Prävention, Kommunikation, die Krisenresilienz und insbesondere die Nöte der jungen Generation.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nutzte die Gelegenheit, den Mitgliedern des Expertenrats für ihr Engagement und die vielen wertvollen Anregungen zu danken: "Mir ist kein weiteres interdisziplinäres Gremium bekannt, das so konsequent den Blick in der Pandemie weitete und immer wieder auf Zielkonflikte hinwies. Ich bin dem Expertenrat für die konstruktiven und bereichernden Beratungen ausgesprochen dankbar und freue mich, dass alle ihre Bereitschaft erklärt haben, mit ihrer jeweiligen Expertise der Landesregierung bei Bedarf auch weiterhin beratend zur Seite zu stehen."
Bürgerrat gibt Empfehlungen für klimafreundliche Politik
160 zufällig ausgewählte Bürger haben von April bis Juni 2021 Empfehlungen für die deutsche Klimapolitik im Hinblick auf die Pariser Klimaziele erarbeitet. Der Bürgerrat Klima ist eine einem Parlament ähnliche Initiative unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten a. D. Horst Köhler. In über 50 Sitzungsstunden entwickelten die Mitglieder des Bürgerrats in vier Handlungsfeldern (Energie, Mobilität, Gebäude und Ernährung) klimapolitische Leitsätze und konkrete Empfehlungen für die deutsche Politik. "Es gibt Lösungen und um diese Lösungen gilt es jetzt zu ringen. Damit ist der Bürgerrat zugleich ein Zeichen gegen Mutlosigkeit, Resignation und Zweifel an der Fähigkeit der Demokratie, Krisen zu überwinden", sagte Köhler. Klimaexperte Roland Kube vertrat das IW im Wissenschaftlichen Kuratorium. Als Themenpate war er für das Handlungsfeld Energie zuständig. Dabei half er bei der Auswahl von Fragen an die Bürger, stellte deren Empfehlungen dem Kuratorium vor und übergab wiederum die Rückmeldung aus der Wissenschaft. Darüber hinaus empfahl er Experten für die Themenschwerpunkte, die den Teilnehmenden in Vorträgen ihr Wissen vermittelten.
Michael Hüther beim IMK Forum 2021
Seine Kritik an der Schuldenbremse heiße nicht, dass man sie komplett aufgeben solle, sagte IW-Direktor Michael Hüther beim IMK Forum 2021 der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am 19. August 2021. Mit der Schuldenbremse in dieser Form gebe es aber eine Reihe funktionaler Probleme. Das Thema der diesjährigen Veranstaltung lautete "Öffentliche Investitionen nach Corona in Deutschland und der EU". Hüther erläuterte im Gespräch mit Moderatorin Ulrike Herrmann von der taz, wie die Schuldenbremse künftig ausgestaltet werden und Deutschland mit den Corona-Schulden umgehen könnte. Auf dem Podium diskutierte er mit IMK-Direktor Sebastian Dullien, KfW-Chefvolkswirtin Friederike Köhler-Geib und der Leiterin des Berliner OECD-Büros Nicola Brandt.
Britischer Handelsminister zu Gast im IW
Das Vereinigte Königreich ringt nach dem Brexit um die bestmöglichen Beziehungen zu den unterschiedlichsten Handelspartnern weltweit. Um die Chancen und Fallstricke für die Briten in der aufgeladenen globalen Handelspolitik auszuloten, kam der britische Minister für Handelspolitik Greg Hands begleitet von Generalkonsul Rafe Courage und einer kleinen Delegation Ende August 2021 ins IW. Hands kritisierte im Gespräch mit IW-Direktor Michael Hüther die vielen Kontrollen zwischen den Ländergrenzen, die etwa das Einhalten der Ursprungsregeln überprüfen sollen. Im Hinblick auf die umstrittenen Zollkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien warf der Minister der EU-Kommission eine unnötige Kompromisslosigkeit vor, die den Frieden in der Region gefährde. Außerdem drehte sich die Diskussion um die Frage, inwiefern das Vereinigte Königreich eine handelspolitische Dynamik anstoßen kann, die auch die Kraft entwickelt, die derzeit antriebslos erscheinende Europäische Union mitzureißen.
Die Atlantik-Brücke als Partner
Anfang September 2021 stellte IW-Außenhandelsexpertin Galina Kolev bei einem Pressegespräch der Atlantik-Brücke gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und stellvertretendem Vorsitzenden der Atlantik-Brücke Norbert Röttgen eine neue Studie über die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen vor. Die Studie zeigt, dass die EU und die USA nach wie vor die wichtigsten Handelspartner füreinander sind – trotz des in der Vergangenheit zum Teil angespannten Verhältnisses. "Die engen transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen unterstreichen die solide Grundlage und das künftige Potenzial für eine enge Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA. Die vergangenen vier Jahre haben jedoch gezeigt, dass diese Zusammenarbeit keine Selbstverständlichkeit ist, sondern der aktiven Pflege bedarf", erklärte Galina Kolev bei der Vorstellung der Studie.
Am 28. Oktober 2021 begrüßte IW-Direktor Michael Hüther eine Gruppe von Nachwuchsführungskräften aus den USA im Berliner IW-Büro. Die zehn Amerikanerinnen und Amerikaner besuchten im Rahmen des "New Bridge"-Programms der Atlantik-Brücke Deutschland. "Social Market Economy – Understanding the German Model" lautete der Titel des Vortrages des IW-Direktors, der zugleich stellvertretender Vorsitzender des 1952 gegründeten Vereins ist. Für den Abend stand noch eine Weinprobe mit IW-Kommunikationschef Knut Bergmann auf dem Plan. Titel seines Vortrages "National Representation and Wine in Germany – Between Pomp and Restraint".
Wie Digitalisierung die Ressourceneffizienz in Unternehmen fördern kann
Wie gelingt nachhaltiges, ressourceneffizientes Wirtschaften? Diese Frage stand im Zentrum der digitalen Bayerischen Ressourceneffizienztage unter dem Motto "Gemeinsam Zukunft gestalten!". Themenschwerpunkte der zweitägigen Veranstaltung am 30. September und 1. Oktober 2021 waren Klimaschutz, Digitalisierung, Kunststoffe und Ökodesign unter dem Aspekt der Ressourceneffizienz. IW-Umweltökonomin Adriana Neligan hielt die Keynote mit dem Titel "Digitalisierung als Enabler für Ressourceneffizienz in Unternehmen". Anschließend stand sie zahlreichen digital zugeschalteten Teilnehmern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik im Rahmen einer Podiumsdiskussion Rede und Antwort. Neligan hatte zu dem Thema eine großangelegte Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums verantwortet und war das Jahr 2021 über als Expertin zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen. Im Mai hielt sie auf der virtuellen Recyclingmesse eREC ein Webinar zur Ressourceneffizienz.
Die ökonomische Bedeutung Künstlicher Intelligenz
Christian Rusche aus dem IW-Kompetenzfeld Digitalisierung, Strukturwandel und Wettbewerb hat am 13. Oktober 2021 an einer digitalen Podiumsdiskussion der SGH Warsaw School of Economics teilgenommen. Das Thema: die ökonomische Bedeutung Künstlicher Intelligenz für die europäischen Volkswirtschaften. Einer von Rusches Mitdiskutanten war der ehemalige EU-Digitalkommissar Günther Oettinger. Die Aufzeichnung der Diskussion finden Sie hier:
Kanadische Delegation besucht das IW
Auf Einladung des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung erhielt das IW am 29. Oktober 2021 Besuch von einer Delegation kanadischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ziel des Austauschs war ein besseres Verständnis institutioneller Unterschiede und Gemeinsamkeiten zur Identifikation einer gemeinsamen multilateralen Stoßrichtung in Fragen der Wirtschaftspolitik sowie der Sicherheitspolitik. IW-Direktor Michael Hüther und sein damaliger persönlicher Referent Matthias Diermeier, die über Hüthers Engagement als Board-Member der Atlantik-Brücke sowie über ihre gemeinsame Teilnahme am deutsch-kanadischen Network "Revive our democratic Alliances" (RODA) den Austausch mit dem Forschungsnetzwerk gesucht hatten, begrüßten die Kanadier im Institut. Die Diskussion drehte sich hauptsächlich um die Frage, inwieweit internationale Konflikte als Reflex auf nationale Spannungsfelder zu deuten sind. Der Praxis, nationale Konfliktherde über internationale Kooperationen einzuhegen, standen die Gesprächspartner grundsätzlich kritisch gegenüber. Als potenzielle Kooperationsfelder wurden aber das gemeinsame Engagement in einem zukünftigen "Klima-Club" sowie der Abbau von nicht-tarifären Handelshemmnissen im Dienstleistungssektor identifiziert. Der letzte Punk sollte etwa in die Gespräche der Ottawa Group zu einer Reform der Welthandelsorganisation WTO einfließen.
Wie sinnvoll sind Privatisierungen?
Anlässlich des 25. Jahrestags des Telekom-Börsengangs im November 2021 war das Für und Wider von Privatisierungen Thema im SWR-Hörfunk. Im "Forum" diskutierten der IW-Geschäftsführer Wissenschaft Hubertus Bardt, die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer und der Soziologe Tim Engartner über die Rolle des Staats als Unternehmer sowie Lehren aus der Privatisierungswelle, die mit der Telekom ihren Anfang nahm.
Was bleibt vom Homeoffice?
Fernarbeit als sinnstiftende berufliche Alternative? Das stand am 29. Januar 2022 im Mittelpunkt von "Campus und Karriere" im Deutschlandfunk. Angesichts der Erfahrungen mit dem Homeoffice in Corona-Zeiten ging es darum, was sich aus der Krise für die "neue Normalität" ziehen lässt, um Vor- und Nachteile der Fernarbeit. Einer der Gesprächspartner: Oliver Stettes, Leiter des IW-Kompetenzfelds Arbeitsmarkt und Arbeitswelt. Hier geht es zur Sendung (MP3-Download).
Welthandel in der Krise?
Anfang Februar 2022 war Matthias Diermeier, damals noch persönlicher Referent von IW-Direktor Michael Hüther, Studiogast beim WDR. In "Planet Wissen" ging es eine Stunde lang um die Zukunft des Welthandels angesichts der Pandemie. Die Sendung "Weltweiter Handel – Immer alles verfügbar trotz Pandemie und Klimakrise?" können Sie hier ansehen:
Koordinatensystem
Daten und Berichte
Koordinatensystem 1/2
Wie Wissenschaft wahrgenommen wird
Zahlen, bitte: Medienresonanz, Publikationen, Projekte und alle anderen wichtigen Daten zum IW.
Das IW hat 2021 zum ersten Mal seit Messung der Resonanz über 10.000 Erwähnungen in Print- und Onlinemedien erreicht. Im Institutsvergleich landet das IW abermals auf Platz zwei hinter dem Ifo und vor dem DIW. Die drei reichweitenstärksten IW-Nachrichten befassten sich mit den Einnahmeausfällen durch den abgesagten Karneval 2022 (Berichte in 110 Print- und Onlinemedien), den wirtschaftlichen Folgen des Bahnstreiks sowie den Auswirkungen eines Urteils des Bundesfinanzhofs zur Rentenbesteuerung (Berichte in jeweils 60 Medien).
Auch die IW-eigenen Kanäle entwickelten sich gut: Die Webseite des Instituts verzeichnete ein Besucherplus von 46 Prozent (knapp 1,2 Millionen) gegenüber dem Vorjahr. Die Zahl der Abonnenten im Karriereportal LinkedIn wuchs um rund 86 Prozent – zum Jahresende knackte das IW hier die Marke von 4.000 Abonnenten. Bei Twitter folgen mittlerweile über 15.000 Nutzer dem IW, gegenüber 2020 stieg die Abo-Zahl um 13 Prozent. Anfang März 2021 setze die Kommunikationsabteilung den reichweitenstärksten Tweet in der IW-Geschichte ab: Robert Habeck war als Festredner bei der Verleihung des Max-Weber-Preises digital zu Gast. Ein entsprechendes Zitat über den Kapitalismus und seine Erfolge wurde insgesamt 525-mal geliked und knapp 450.000 Menschen in ihrer Timeline angezeigt.
Viel Reichweite bescherte dem IW auch ein Youtuber: Der Kanal "Finanzfluss" hat am 3. Januar 2021 die Studie "Vermögensgrenzen: große gruppenspezifische Unterschiede" von Judith Niehues und Maximilian Stockhausen aufgegriffen und erläutert. Das Video wurde auf YouTube bislang knapp 750.000-mal angesehen. Am 6. Februar 2022 berichtete Finanzfluss über die aktualisierte Grafik "Wie wohlhabend bin ich im Vergleich". Das Video wurde bislang mehr als 330.000-mal angesehen.
Koordinatensystem 2/2
Erwähnungen in den Medien
Rang im Institutsvergleich
Radiohörer in Mio.1
TV-Zuschauer in Mio.2
Twitter-Follower
Facebook-Abonnenten
LinkedIn-Follower
Instagram-Follower
Publikationen IW e.V.3
Vorträge IW e.V.4
1 Panel: Deutschlandfunk, DeutschlandRadio Kultur, B5 aktuell, hr-info, mdr aktuell, ndr-info, swr-info, WDR2, WDR5, rbb-Inforadio; ab 1.3.2018 Panel HF: Deutschlandfunk, B5 aktuell, NDR info, WDR 2, WDR 5, rbb-Inforadio, SWR3, 1Live, Bayern 1, NDR 2, WDR 4, Bayern 3, NDR 1 NS/Radio MV/Welle Nord, SWR1 BW/RP, SWR4 BW/RP, N-Joy, hr3, mdr Jump, mdr Sachsen
2 Panel: ARD, ZDF, die dritten Programme, Phoenix, RTL, n-tv, N24, SAT.1
3 IW-Publikationsreihen plus Gutachten; Direktion und Wissenschaftsbereich
4 Direktion und Wissenschaftsbereich
Publikationen, Projekte, Gremienmitgliedschaften etc. (Excel)